5.100 Vertragsstrafe bei Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch angemessen: Urteil Landgericht Meiningen 28.02.2013, HK O 57/12

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Unterlassungserklärung nach neuem Hamburger Brauch abgegeben und verstoßen in der Folgezeit dagegen. Der Abmahner fordert eine Vertragsstrafe von 5.100 EUR von Ihnen. Das Landgericht Meiningen hat diese Summe für angemessen erachtet und der Klage stattgegeben. Die Einzelheiten:

IM NAMEN DES VOLKE

Verkündet am: 28.02.2013

Landgericht Meiningen HK 0 57/12 (57)

URTEIL

 

In dem Rechtsstreit

XXX

– Kläger –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXXX

 

gegen

XXX

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Gerstel, Grabenstr. 63, 48268 Greven

 

wegen: Forderung

hat die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Meiningen durch

Vors. Richter am LG XXX

Handelsrichter XXX

Handelsrichter XXX

 

im schriftlichen Verfahren gern. § 128 Abs. 2 S. 1 ZPO nach Schriftsatzfrist bis 01.02.2013

für Recht erkannt:

  1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.02.2012 zu zahlen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien vertreiben auf der Internetplattform eBay u. a. Produkte aus dem Segment Au­topflege und Wartung.

Der Kläger bewarb gemäß eBay Angebot vom 28.10.2011 den Artikel XXX mit „Ladenpreis“ unter Hinzufügung eines konkreten Betrages. Auf die Abmahnung des Klägers wegen wettbewerbswidrigen Handelns vom 02.11.2011 gab der Beklagte unter dem 14.11.2011 durch seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten eine Unterlassungserklärung folgenden Inhalts ab:

„Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne jedes Präjudiz aber gleichwohl rechtsverbindliche erkläre ich namens und in Vollmacht meines Mandanten, dass sich dieser verpflichtet, es künftig bei Meldung einer Vertragsstrafe für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung in einer Höhe, die von Ihrer Mandantschaft nach billi­gem Ermessen festgesetzt wird, die jedoch im Streitfall hinsichtlich ihrer Billigkeit vom ständigen Gericht überprüft werden kann, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, bei Fernabsatzverträgen über die Internetversteigerungsplattform eBay Produkte der Autopflege und Wartung anzubieten und dabei mit „Ladenpreis“ unter Hinzufügung eines konkreten Betrages zu werben, ohne auf die Unverbindlichkeit bzw. Empfehlung der Preisangabe hinzuweisen oder den expliziten, zum angegebenen Preis gehörenden Laden zu benennen… Es wird eine Aufbrauchfrist bis einschließlich zum 21.11.2011 vereinbart.“

Diese Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nahm der Kläger mit Schreiben vom 25.11.2011 an.

Am 17.01.2012 stellte der Kläger fest, dass der Beklagte erneut unter der Rubrik „Autopflege und Wartung“ einen Liter Motorenöl anbot mit „Ladenpreis 15,00 €/Liter“ (Anlage K 5). Er machte daraufhin mit Schreiben vom 25.01.2012 gegenüber dem Beklagten eine vermeint­lich verwirkte Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 € geltend, verlangte deren Zahlung bis 15.02.2012 und forderte erneut die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Der Beklagte gab mit Schreiben vom 06.02.2012 die geforderte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab. Die Vertragsstrafenansprüche des Klägers lehnte er mit der Begründung ab, dass es sich bei dem beanstandeten Verstoß lediglich um einen Ausreißer gehandelt habe.

Mit der Klage verfolgt der Kläger den Vertragsstrafenanspruch weiter.

Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe mit der beanstandeten Werbung am 17.01.2012 für einen Liter Motorenöl mit „Ladenpreis 15,00 €/Ltr.“ gegen die vorher abgege­bene strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 14.11.2011 verstoßen. Er sei daher zur Zahlung der vom Kläger auf dieser Basis geltend gemachten Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 € verpflichtet. Die Höhe der geforderten Vertragsstrafe sei in Anbetracht der Tatsa­che, dass der Beklagte am 25.01.2012 18.121 Artikel eingestellt habe und in der Zeit vom 28.10.2011 bis zum 25.01.2012 1.395 positive Bewertungen abgegeben worden seien an­gemessen. Aufgrund der wirtschaftlichen Betätigung des Beklagten sei dieser Betrag zur Beseitigung einer Wiederholungsgefahr geeignet. Die vom Beklagten angeführte Vertrags­strafenhöhe von 500,00 € entspreche diesem Anliegen nicht. Bereits der mit Urteil des Land­gerichts Cottbus bzw. des Brandenburgischen OLG dem Kläger zugestandene Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 859,80 € habe den Beklagten von den Zuwiderhandlungen nicht abgehalten. Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich bei der beanstandeten Werbung um eine irreführende Preiswerbung handele, die bei den Kunden einen besonderen Kaufanreiz auslöse. Den wirtschaftlichen Vorteil daraus mache sich der Beklagte zu nutzen. Vorliegend gehe es nicht lediglich um die Verwendung eines falschen Wortes im Rahmen einer Widerrufsbelehrung oder nicht vollständiger Angaben in einem Impressum, sondern um eine relevante irreführende Preiswerbung.

Im Übrigen sei die Verwirkung einer Vertragsstrafe aus der abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Insoweit könne das be­strittene Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien dahinstehen. Dieses liege außerdem vor. Der Kläger biete auch Motorenöl über die Internetplattform eBay zum Verkauf an. Auch Motorenöl werde unter der Rubrik „Autopflege und Wartung“ auf der Internetplattform eBay angeboten wie sämtliche weiteren Öle und Pflegestoffe. Das Landgericht Cottbus und das Brandenburgische Oberlandesgericht hätten zudem das Bestehen eines Wettbewerbsver­hältnisses zwischen den Parteien bejaht.

Schließlich handele es sich bei dem Verstoß des Beklagten auch nicht um einen absoluten Ausreißer. Der Kläger habe nach mehr als 1 ½ Monaten nach der Annahmeerklärung die Angebote des Beklagten überprüft und gleich bei Aufruf des ersten angewählten Artikels des Beklagten hinsichtlich des Motorenöls den Verstoß festgestellt. Gerade die Masse der vom Beklagten zum Verkauf eingestellten Artikel erfordere ein höheres Maß an Kontrolltätigkeit und Sorgfalt. Die vermeintliche Anweisung von Mitarbeitern des Beklagten zur manuellen Kontrolle der Anzeigen werde bestritten. Bestritten werde auch, dass die beanstandeten Artikel evtl. automatisch wieder bei eBay eingestellt worden seien.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozent­punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 16.02.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte meint, die Parteien seien keine Mitbewerber, was Zulässigkeitsvoraussetzung sei. Gegenstand der Abmahnung des Klägers bei eBay sei der Verkauf von 5 l Shell Helix 10W40 Motoröl. Der Kläger vertreibe keine Waren gleicher oder verwandter Art. Er habe nicht einen einzigen Artikel im Angebot, welcher Motoröle beinhalte. Bei dem von ihm ange­botenen Zentralhydrauliköl handele es sich um ein anderes Produkt.

Im Übrigen sei die Vertragsstrafe nicht verwirkt. Ein Verschulden des Beklagten liege nicht vor. Bei dem vom Kläger aufgespürten Artikel handele es sich um einen absoluten Ausreißer. Der Beklagte habe zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Vertragsstrafe insgesamt 19.464 Artikel im Angebot bei eBay gehabt. Nach Abgabe der Unterlassungserklärung habe der Beklagte Mitarbeiter über die Folgen eines Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung aufgeklärt und angewiesen, alle eingestellten Artikel zu prüfen. Dies sei mit Hilfe von Suchmaschinen erfolgt. Keiner der Artikel habe einen derartigen Hinweis enthalten. Der einzige aufgespürte Artikel müsse auf eine automatische Einstellung durch eBay zurückzuführen sein. Vom Beklagten sei dieser Artikel sofort gelöscht worden.

Außerdem sei die vom Kläger geforderte Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 € deutlich überzogen. Allenfalls 500,00 € wären hierfür anzusetzen. Ordnungsgelder begännen beispielsweise bei 500,00 €.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten und gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 €. Grundlage hierfür ist die Unterlassungsverpflichtungserklärung des Be­klagten vom 14.11.2011, wonach sich der Beklagte verpflichtete, eine Vertragsstrafe für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung zu zahlen, die vom Kläger zu bestimmen und vom Gericht hinsichtlich ihrer Billigkeit zu überprüfen ist. Gegenstand der Unterlassungsverpflichtung des Beklagten ist es, es zu unterlassen, bei Fernabsatzverträgen über die Internetversteigerungsplattform eBay Produkte der Autopflege und Wartung anzubieten und dabei mit „Ladenpreis“ unter Hinzufügung eines konkreten Betrages zu werben, ohne auf die Unverbindlichkeit bzw. Empfehlung der Preisangabe hinzuweisen oder den zum angegebenen Preis gehörenden Laden zu benennen (Anlage K 5). Dagegen hat der Beklagte durch die am 17.01.2012 vom Kläger festgestellte Werbung unter der Rubrik „Autopflege und Wartung“ für 1 Liter Motorenöl „Ladenpreis 15,00 €/Ltr.“ verstoßen. Auch Motorenöl wird bei eBay unter der Rubrik „Autopflege und Wartung“ angeboten und vom Kläger gehandelt (vgl.: Brandenburgisches OLG, AZ: 6 U 138/12, Urteil vom 08.01.2013).

Die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Vertragsstrafe von 5.100,00 € ist für den vor­liegenden Fall nicht unbillig bestimmt, §§ 315 Abs. 3, 339 BGB (Palandt, BGB, 72. Aufl., Rn 17 zu § 339; Rn 10 zu § 315). Sinn eines Vertragsstrafenversprechens ist es neben der Schadenersatzfunktion, den Schuldner von der Begehung weiterer Verstöße abzuhalten, weil sich ein Bruch des Unterlassungsversprechens für ihn nicht lohnt (vgl.: OLG Jena, Be­schluss vom 20.07, 2011, AZ: 2 W 343/11, m. w. N.). Die Höhe der Vertragsstrafe hängt ab von der Art und Größe des Unternehmens, vom Umsatz, von der Schwere und dem Ausmaß der Zuwiderhandlung, von deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, vom Verschulden des Verletzers und von dem Interesse an der Unterbindung weiterer gleichartiger Begehungshand­lungen (vgl.: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., Rn 1.139 zu § 12). Diesem Anliegen kann auch durch die Bestimmung einer relativen Vertragsstrafe entsprochen werden, die vom Gläubiger bestimmt und hinsichtlich ihrer Billigkeit durch das Gericht überprüft werden kann, § 315 Abs. 1 und 3 BGB (Köhler/Bornkamm, a. a. 0., Rn 1.142 — s. g. „neuer Hamburger Brauch“). Der Schuldner des Unterlassungsanspruchs muss die vom Gläubiger vorgeschla­gene Höhe der Vertragsstrafe nicht unbesehen akzeptieren. Er kann eine andere bezifferte Vertragsstrafe versprechen, deren Höhe in Bezug auf die Gefährlichkeit seines Verstoßes, die Größe seines Geschäftsbetriebes und die anderen maßgeblichen Faktoren als ange­messen angesehen werden kann. Die bezifferte Vertragsstrafe muss sich auch nicht an der Höhe des Zuständigkeitsstreitwertes des Landgerichts von 5.001,00 € orientieren (OLG Jena, NJW-RR 2011, 341 ff.).

Der Kläger hat vorliegend entsprechend der Unterlassungserklärung des Beklagten vom 14.11.2011 eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 € gefordert. Dass diese aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht der Billigkeit entspricht, steht nicht fest, § 315 Abs. 3 BGB. Der vom Beklagten in Erwägung gezogene Betrag in Höhe von maximal 500,00 € ist jedenfalls nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr endgültig zu beseitigen. Bereits die Abmahnkosten in Höhe von 859,80 € übersteigen diesen Betrag und haben nicht zum Aus­schluss einer derartigen Wettbewerbsverletzung geführt (vgl.: Brandenburgisches OLG, AZ 6 U 138/12). Zudem ist der Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit des Beklagten mit ca. 19.000 Artikeln im Angebot, aktuell mit ca. 27.000 Artikeln, zu berücksichtigen. Dies spricht für eine gewerbliche Tätigkeit mittleren Ausmaßes, nicht für ein geringfügiges gelegentliches Han­deln. Außerdem hat der Beklagte sowohl am 02.11.2011 als auch nach der ersten Unterlas­sungserklärung am 17.01.2012 den gerügten Wettbewerbsverstoß bei eBay zugelassen. Von einem absoluten Ausreißer kann daher nicht die Rede sein. Zu beachten ist auch, dass es sich bei der Art der Wettbewerbsverletzung nicht um einen „Bagatellverstoß“ handelt, sondern um eine unzulässige irreführende Preisbewerbung, die für den Käufer einen spürbaren Kaufanreiz darstellt, den sich der Beklagte zu nutzen macht, §§ 3, 5 UWG. Dass die vom Kläger geforderte Vertragsstrafe von 5.100,00 € nicht der Billigkeit entspricht und diese herabzusetzen ist, war im Rahmen der vereinbarten Billigkeitsprüfung durch das Gericht nicht feststellbar. Dabei handelt es sich um einen Betrag, der im Wettbewerbsrecht im durchschnittlichen Bereich für einen erstmaligen Verstoß liegt (vgl.: OLG Düsseldorf, Urteil v. 13.04.2010, AZ 20 U 191/09, juris; OLG Stuttgart, Urteil, AZ 38/07, juris; LG Leipzig, Urt. v. 07.10.2009, AZ 5 0 1508/08, recherchiert unter juris).

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die Wettbewerbshandlung durch den Beklagten schuldhaft begangen wurde. Es ist nicht ersichtlich, dass es sich bei der angegriffenen Werbung um einen absoluten Ausreißer handelt oder um einen dem Beklagten nicht zuordenba­ren Fehler von eBay. Gerade bei der Vielzahl der beworbenen Artikel und der Art des Verstoßes hätte es besonderer Vorsorge- und Kontrollmaßnahmen des Beklagten bedurft, um weitere Verletzungen auszuschließen. Dies ist allein mit der vermeintlichen Anweisung an Mitarbeiter und mit eventuellen Versäumnissen von eBay nicht zu begründen.

Nach alledem hatte die Klage Erfolg.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 ZPO.

  Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 S. 1ZPO.

 

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