Heute habe ich insgesamt 8 Abmahnungen im Auftrag eines in das Gas/Wasser-Installateurverzeichnis eingetragenen Betriebes ausgesprochen. Die abgemahnten Mitbewerber bieten Verbrauchern im Internet sicherheitsrelevante Ersatzteile für Gasinstallationen zum Kauf an, ohne deutlich erkennbar darauf hinzuweisen, dass die Produkte ausschließlich durch einen Fachhandwerker installiert werden dürfen. Ein eindeutiger Wettbewerbsverstoß, vgl. Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 31.1.2020, Aktenzeichen: 6 U 249/19.

 

Wie sieht es mit den Abmahnkosten aus?

Der Abmahner, mein Auftraggeber, kann natürlich die Erstattung der Abmahnkosten gemäß § 13 Abs. 3 UWG verlangen. Aber können jetzt 8 Mal Kosten verlangt werden und wenn ja, in welcher Höhe?

 

Vor dem Hintergrund der BGH Rechtsprechung „Der Novembermann“ halte ich nur anteilige Abmahnkosten nach einem Gesamtgegenstandswert für erstattungsfähig.

 

Abmahnkosten nach einem Gesamtgegenstandswert von 120.000 EUR

Die Abmahnkosten sind grundsätzlich nach dem Gegenstandswert des Hauptsacheverfahrens zu erstatten. Im einstweiligen Verfügungsverfahren wird im OLG Bezirk Hamm bei dem eingangs genannten Verstoß regelmäßig ein Abschlag von 1/3 vorgenommen. Bei 10.000 EUR im einstweiligen Verfügungsverfahren liegt der Wert einer Hauptsacheklage folglich bei 15.000 EUR. Dieser Wert wäre grundsätzlich auch hier für die Berechnung des Aufwendungsersatzanspruches nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zugrunde zu legen, wenn der Abmahner nur eine einzige Abmahnung  ausgesprochen hätte.

 

Gesamtgegenstandswert aufgrund von 8 Abmahnungen

Es wurden insgesamt 8 Abmahnungen vom Abmahner gegenüber seinen Mitbewerbern ausgesprochen. 

 

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 06.06.2019, „Der Novembermann“, Aktenzeichen I ZR 150/18, ist in diesem Fall ein Gesamtgegenstandswert zu bilden und jeder Abgemahnte hat dann auch nur die anteiligen Kosten – hier 1/8 – zu tragen. Bei nur einer Angelegenheit beliefe sich der Gegenstandswert auf 15.000 EUR. Bei insgesamt 8 Rechtsverletzungen beträgt der Gesamtgegenstandswert 120.000 EUR. Der Aufwendungsersatzanspruch des Abmahners gegenüber allen 8 abgemahnten Mitbewerbern berechnet sich somit wie folgt:

 

Gesamtgegenstandswert: 120.000,00 €
1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG     2.273,70 €
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG             20,00 €
Nettobetrag                                                             2.293,70 €
19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG           435,80 €
Gesamtbetrag                                                       2.729,50 €

 

Hiervon haben die Abgemahnten jeweils 1/8, mithin 341,19 EUR, zu tragen.

 

Rechtsmissbrauch, Verstoß gegen § 15 RVG, strafbare Gebührenüberhebung nach § 352 StGB

Würde man vorliegend 8 mal Gebühren nach einem Streitwert von 15.000 EUR erstattet verlangen, so würde dies meiner Rechtsauffassung nach den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs erfüllen und zudem einen Verstoß gegen § 15 RVG und eine strafbare Gebührenüberhebung nach § 352 StGB darstellen.

 

Ich frage mich allerdings immer wieder, ob ich der einzige Rechtsanwalt bin, der die BGH Rechtsprechung hier anwendet. Täglich erreichen mich Abmahnungen. Zum Beispiel werden massenhaft Verstöße gegen das Verpackungsgesetz abgemahnt. Wird mehr als nur eine Abmahnung ausgesprochen, dann kann der Abmahner meiner Ansicht nach auch nur anteilige Kosten erstattet verlangen. Stattdessen wird in den mir vorliegenden Abmahnungen immer der volle Wert verlangt. 

 

Ich bin gespannt, ob die Abmahner den Mut haben, die Abmahnkosten wirklich einzuklagen. Spätestens dann müsste sich im Klageverfahren mit der BGH Rechtsprechung befasst werden. Auch müsste der Abmahner offen legen, wie viele Abmahnungen ausgesprochen worden sind.

 

Wer nichts zu verbergen hat, nennt die Anzahl der Abmahnungen im Abmahnschreiben

Ich habe in allen 8 Abmahnungen angegeben, dass genau diese Anzahl an Abmahnungen ausgesprochen worden ist. Wer das nicht macht, hat meiner Ansicht nach etwas zu verbergen.

 

Ich bin selbst kein Fan von aktiven Abmahnungen, aber wenn schon abgemahnt wird, dann müssen diese Abmahnungen auch den rechtlichen Voraussetzungen und der aktuellen Rechtsprechung entsprechen. Alles andere halte ich für rechtsmissbräuchlich.