Wie hoch sind die Abmahnkosten für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung? Gibt es hier feste Werte oder Vorgaben? Was ist unter einem Gegenstandswert bzw. Geschäftswert zu verstehen? Sind Streitwert und Verfahrenswert etwas anderes? Wie wird der Gegenstandswert festgelegt?

 

All diese Fragen tauchen immer wieder im Zusammenhang mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen auf, wenn es um die Frage der Kostenerstattung, also die Abmahnkosten, geht. Abmahnungen sind deshalb möglich, weil der Gesetzgeber z.B. einem Gewerbetreibenden die Möglichkeit einräumt, gegen Mitbewerber im Wege einer Abmahnung vorzugehen. Die gesetzliche Grundlage dafür findet sich im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, nämlich in § 13 Abs 3 UWG (früher, d.h. bis zum 02.12.2020: § 12 UWG). Diese Vorschrift lautet wie folgt:

 

Gesetzliche Grundlage seit dem 02.12.2020

§ 13 Abmahnung; Unterlassungsverpflichtung; Haftung

 

 

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht, kann der Abmahnende vom Abgemahnten Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.

 

 

Gesetzliche Grundlage bis zum 02.12.2020

 

§ 12 Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung
(1) Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden.

In § 13 Abs. 3 UWG ist auch geregelt, dass die Kosten einer berechtigten Abmahnung der abgemahnte Mitbewerber tragen muss. In meiner täglichen Beratungspraxis erlebe ich es immer wieder, dass es die Abgemahnten manchmal nur sehr schwer verstehen können, dass sie Abmahnkosten bezahlen sollen, obwohl sie den die Abmahnung aussprechenden Rechtsanwalt doch gar nicht beauftragt hätten. Viele sagen mir, dass doch ein Anruf oder eine E-Mail genügt hätte und sie hätten den bemängelten Punkt geändert. Eine Abmahnung wäre überhaupt nicht nötig gewesen.

 

Ein Mitbewerber kann gemäß § 13 UWG sofort einen Rechtsanwalt beauftragen, der dann in seinem Namen gegenüber dem wettbewerbswidrig handelnden Konkurrenten eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung ausspricht. Die entstanden Abmahnkosten hat der Mitbewerber zu erstatten. Ich rate jedem Mitbewerber ausdrücklich davon ab, ohne die Einschaltung eines Rechtsanwaltes eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung auszusprechen, da nur ein Volljurist beurteilen kann, ob die beabsichtigte Abmahnung berechtigt ist oder nicht. Abmahnkosten müssen nämlich nur für eine berechtigte Abmahnung erstattet werden!

Was ist der Unterschied zwischen Gegenstandswert, Geschäftswert, Streitwert, Verfahrenswert

Von Gegenstandswert oder Geschäftswert spricht man bei vorgerichtlichen Auseinandersetzungen und von Streitwert bzw. Verfahrenswert in gerichtlichen Verfahren (z.B. einstweiliges Verfügungsverfahren, Klageverfahren). Die Begriffe unterscheiden sich daher vom Kern her nicht.

 

Gegenstandswert bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen

Die Kosten einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung berechnen sich nach dem Gegenstandwert. Es gibt keine fest geregelten Gegenstandswerte bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen. Beim zugrunde zu legenden Gegenstandwert kommt es unter anderem darauf an, um welche Art von Wettbewerbsverstoß es sich handelt, wie intensiv der Eingriff des Wettbewerbsverstoßes beim Wettbewerber ist und wie hoch das sogenannte Angriffsinteresse des Abmahners ist. Gemäß § 51 GKG ist der Streitwert für den Unterlassungsanspruch nach der sich für den Abmahner ergebenen Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

 

In der Praxis läuft das ganze so ab, dass der Abmahner den seiner Ansicht nach angemessenen Gegenstandswert selbst bestimmt und daraus Kostenerstattung verlangt. Bei der Ermittlung des Gegenstandswertes orientiert sich der Abmahner jedoch üblicherweise an der aktuellen Rechtsprechung. Das, was auch ein Gericht als Streitwert festsetzen würde, legt der Abmahner als Gegenstandswert fest. Einfacher gesagt als getan, denn die Rechtsprechung ist alles andere als einheitlich. Die Streitwerte variieren von Gericht zu Gericht. In Deutschland gibt es derzeit 115 Landgerichte und 24 Oberlandesgerichtsbezirke. Die Richter der Landgerichte können den Streitwert zwar grundsätzlich nach ihrem eigenen Ermessen festsetzen (Richterliche Unabhängigkeit), sie orientieren sich aber erfahrungsgemäß bei der Festsetzung des Streitwertes wiederum an der Rechtsprechung ihres zugehörigen Oberlandesgerichts. Da die Richter bei den Oberlandesgerichten bei den jeweiligen Wettbewerbsverstößen unterschiedliche Gegenstandswerte für angemessen halten, gibt es in Deutschland diese unterschiedlichen Streitwerte.

 

Natürlich kann man an diese Stelle lange darüber diskutieren, ob dies gerecht ist oder nicht, es ist momentan aber nicht zu ändern.

Entscheidungen aus der Praxis

Die nachfolgenden Beschlüsse im einstweiligen Verfügungsverfahren zeigen, welche Streitwerte von den Gerichten im OLG Bezirk Hamm bis zum 02.12. 2020 bei den jeweiligen Wettbewerbsverstößen festgesetzt wurden. Entscheidungen nach dem 02.12.2020 sind mir bisher noch nicht bekannt.

 

  • 9 Verstöße = 30.000 EUR Verfahrenswert im einstweiligen Verfügungsverfahren, LG Münster, 025 O 89/17
  • 10.000 EUR Streitwert bei fehlendem Link zur OS-Plattform
    Landgericht Münster, 021 O 90/17
  • 10.000 EUR Streitwert bei unzulässiger Garantiewerbung,
    Landgericht Münster, 021 O 91/17
  • 15.000 EUR Streitwert bei widersprüchlichen Grundpreisangaben und fehlendem Link zur OS-Plattform
    Landgericht Münster, 022 O 94/17
  • 20.000 EUR Streitwert bei fehlenden Grundpreisen und sämtlichen Informationspflichten
    Landgericht Münster, 022 O 95/17
  • 20.000 EUR Streitwert bei Privatverkäufen in gewerblichem Ausmaß unter Missachtung sämtlicher Informationspflichten
    Landgericht Münster, 026 O 45/17
  • 15.000 EUR Streitwert bei widersprüchlichen Fristangaben bei der Widerrufsbelehrung
    Landgericht Münster
  • 20.000 EUR Streitwert bei Missachtung dreier Informationspflichten
    Landgericht Essen
  • 16.000 EUR Streitwert bei  Missachtung von Informationspflichten und unzulässigen Klauseln (versicherter Versand, Versandkosten Ausland auf Anfrage)
    Landgericht Bochum, I-15 O 71/17
  • 10.000 EUR Streitwert bei fehlendem Mehrwertsteuerhinweis
    Landgericht Bochum, I-12 O 140/17

Deutlich höhere Streitwerte beim Landgericht Berlin

Das Landgericht Berlin ermittelt den Streitwert anhand der vorliegenden Wettbewerbsverstöße. Die Berliner setzen z.B. allein für eine fehlerhafte Garantieerklärung einen Streitwert von 22.500 EUR fest. Unzulässige AGB-Klauseln werden mit je 2.500 EUR festgesetzt und für ein fehlerhaftes Impressum werden 10.000 EUR Streitwert zugrunde gelegt. So kann es durchaus vorkommen, dass Streitwerte von über 60.000 EUR bei mehreren Wettbewerbsverstößen festgesetzt werden (vgl. Landgericht Berlin, Urteil vom 11.4.2017, 15 O 511/16). Im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm wären diese Werte nach momentaner Rechtsprechung undenkbar.

 

Unterschiedliche Richter, unterschiedliche Ansichten, unterschiedliche Rechtsprechung.

 

Gegenstandswert des Hauptsacheverfahrens ist anzusetzen

Die Abmahnkosten sind grundsätzlich nach dem Gegenstandswert des Hauptsacheverfahrens zu erstatten.

 

„Der Geschäftswert der Abmahnung richtet sich nach der Höhe des für die Gerichtskosten geltenden Wertes (§ 23 I 3 RVG, § 12 I GKG; § 3 ZPO). Da die Abmahnung auf das Verschaffen eines endgültigen Titels gerichtet ist, entspricht der Gegenstandswert nicht dem des Verfügungs-, sondern dem des Hauptsacheverfahrens.“

 

vgl. Köhler/Bornkamm, 35. Auflage 2017, § 12 UWG, Rn. 1.118

Die oben genannten Beschlüsse sind im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangen. Das OLG Hamm zieht im einstweiligen Verfügungsverfahren 1/3 des Gegenstandswertes einer Hauptsacheklage ab.

Der in der in Rede stehenden Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert von 20.000,00 € ist nicht zu beanstanden – und dies sah der Antragsgegner in seinem vorgerichtlichen Schreiben vom 11.04.2013 noch selbst so.

 

Da die Abmahnung auf eine endgültig Beilegung des Wettbewerbsstreites gerichtet ist, muss vom Wert der Hauptsache als Gegenstandswert der Abmahnung ausgegangen werden (u.a. Senat BeckRS 2010, 02555; Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rn. 1.96).  Ein geringerer Streitwert als 20.000,00 € für die Hauptsacheklage käme nach der üblichen Wertfestsetzung des Senates nicht in Betracht. Hierbei spielt zum einen das allgemeine Interesse an der Einhaltung der Regeln des Verbraucherschutzes im Internet eine Rolle. Zudem muss auch dem Umstand, dass bei Wettbewerbsverstößen im Internet die Gefahr der Nachahmung im Allgemeinen verhältnismäßig hoch ist, angemessen Rechnung getragen werden. Zudem handelte es sich um gleich mehrere verletzte Verbraucherschutzvorschriften.

 

Nichts anderes gilt im Übrigen hinsichtlich des von der Antragstellerin versandten Abschlussschreibens. Denn auch dieses dient dazu, den Rechtsstreit endgültig zu beenden und das Hauptsachverfahren zu vermeiden, was den Wert der Hauptsache als Gegenstandswert rechtfertigt.

 

Wenn in der sodann seitens der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Landgerichts Bochum ein Streitwert von 15.000,00 € festgesetzt wurde, trägt dies dem Umstand Rechnung, dass es sich hierbei um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelte, bei dem – wie auch im vorliegenden Verfahren – der Streitwert im Allgemeinen 2/3 des Hauptsachstreitwertes beträgt.

 

OLG Hamm, Urt. v. 23.1.2014, 4 U 118/13, Tz. 36

 

Dann ergäbe bei rein rechnerischer Betrachtung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats, dass der Streitwert für das Verfügungsverfahren regelmäßig 2/3 des Werts des Hauptsacheverfahrens beträgt, hierfür ein Betrag von rd. 75.000,- oder 80.000,- €, so wie das Landgericht den Streitwert nunmehr festgesetzt hat.

 

OLG Hamm v. 2.7.2009, 4 U 39/09

 

Das Kammergericht und das OLG Celle handhaben dies übrigens genau so.

 

Wurden also 10.000 EUR im einstweiligen Verfügungsverfahren festgesetzt, so läge der Wert einer Hauptsacheklage bei 15.000 EUR. Die Abmahnkosten wären folglich nach einem Gegenstandswert von 15.000 EUR zu erstatten und nicht nur nach einem Gegenstandswert von 10.000 EUR.

 

Gegenstandswert: 15.000 EUR
1,3 Geschäftsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 2300 VV 845,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikationsleistungen, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
19 % Umsatzsteuer 164,35 EUR
Gesamtsumme: 1.029,35 EUR

Muss der Abgemahnte auch die Umsatzsteuer erstatten?

Ja, denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist auch dann, wenn der Auftraggeber gewerblicher Unternehmer ist, also die Umsatzsteuer selbst absetzen kann, die Umsatzsteuer gegenüber dem Gegner geltend zu machen, vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.12.2016, XI R 27/14.

Dokumentations-, Testkaufkosten

Der Abmahner kann zudem Erstattung von Dokumentations- und Testkaufkosten verlangen, vgl. Köhler/Bornkamm, 35. Auflage 2017, § 12 UWG, Rn. 2.123.

 

Der Abgemahnte hat schließlich erst durch sein wettbewerbswidriges Verhalten auf Seiten des Abmahners einen konkreten, einzelfallbezogenen Aufwand für Recherchen und Dokumentationen verursacht, welcher wegen des zur Rechtsverfolgung notwendigen Zeitaufwandes einen wirtschaftlichen Schaden darstellt. Ein Abmahner kann mit einem Dritten vereinbaren, dass dieser die recherchierten Verstöße dokumentiert, die Beweismittel sichert und die Rechercheergebnisse in schriftlicher, geordneter, übersichtlicher und gerichtsverwertbarer Weise zusammenstellt und dem Abmahner übermittelt. Ein Abmahner muss derartige Arbeiten nicht selbst ausführen oder als laufende Kosten seines allgemeinen Geschäftsbetriebs abschreiben.

Das Landgericht Berlin und auch das Amtsgericht Charlottenburg haben einen Anspruch auf Erstattung von Dokumentationskosten in Höhe von 95 Euro bejaht, da in den zu entscheidenden Fällen vom Kläger substantiiert dargelegt worden ist, dass diese Dokumentationskosten zur Rechtsverfolgung notwendig entstanden sind.

 

vgl. Landgericht Berlin, Beschluss vom 11. August 2011, Az.: 15 S 4/11; Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 13.3.2014, 210 C 300/13

 

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