Immer wieder höre ich „30.000 EUR Streitwert sind viel zu hoch. Dokumentationskosten sind nicht erstattungsfähig, zumindest nicht der Höhe nach gerechtfertigt.“. Diskussionen mit fachfremden Kolleginnen und Kollegen sind in der Regel nicht zielführend. Dann kommt es zur Klage. Für die Abgemahnten tut es mir immer sehr leid, denn Sie haben aus meiner Sicht absolut alles richtig gemacht, indem Sie sich an einen Anwalt gewandt haben. Dafür, dass der Anwalt schlecht oder falsch berät, kann der Abgemahnte natürlich nichts. Er ist am Ende nur derjenige, der auch noch die Gerichtskosten und weiteren Anwaltskosten zu tragen hat.
An alle Abgemahnten: Nehmen Sie Ihre Anwälte gegebenenfalls in Regress! Bezahlen Sie nicht für die Fehler Ihres Rechtsanwaltes.
021 O 45/18
LG Münster
Beschluss
In dem Rechtsstreit
XXX, Klägers,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Gerstel, Grabenstraße 63, 48268 Greven
gegen
XXX, Beklagten
Prozessbevollmächtigte: XXX
hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster/Westf. durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX im schriftlichen Verfahren am 31.08.2018 beschlossen:
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Gründe
I.
Der Kläger und der Beklagte waren als Verkäufer auf der Onlineplattform eBay tätig. Beide Parteien boten Waren aus dem Sortimentsbereich Damenunterwäsche an.
Der Kläger mahnte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 23.03.2018 […] nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wegen diverser Informationspflichtverletzungen ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Der Beklagte antwortete mit anwaltlichem Schreiben vom 29.03.2018 und gab zugleich eine modifizierte Unterlassungserklärung ab […].
Anschließend forderte der klägerische Anwalt den Beklagten mit E-Mail vom 29.03.2018 […] zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.358,86 € und Dokumentationskosten in Höhe von 154,70 € bis zum 06.04.2018 auf. Mit Antwort der Gegenseite vom 04.04.2018 […] wurde eine Zahlungspflicht zurückgewiesen und ein Vergleichsangebot, bei welchem sich der Beklagte zur Zahlung von 300,00 € bereiterklärte, unterbreitet. Der Kläger lehnt dies ab.
Mit der Klage vom 09.04.2018, eingegangen bei Gericht als Fax am selben Tage, per Post am 10.04.2018, hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.523,56 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Neben den vorgerichtlich geltend gemachten Kosten hat er weitere 10,00 € für eine Einwohnermeldeamtsanfrage geltend gemacht.
Am 12.04.2018 hat der Beklagte die Klageforderung vollständig beglichen. Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom 18.04.2018 die Klage zurückgenommen. Die Klageschrift ist an den Beklagten nicht mehr förmlich zugestellt worden.
Der Kläger ist der Auffassung, die Kosten des Rechtsstreits seien gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO dem Beklagten aufzuerlegen, da die Klage in vollem Umfang begründet gewesen sei.
Die Parteien stellen nunmehr wechselseitige Kostenanträge.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, da kein Anlass zur Klage bestanden habe sowie die Klage unbegründet gewesen sei. Es habe bereits von ihm kein gewerbliches Verhalten vorgelegen. Ferner habe der Kläger zum Zeitpunkt der Klageeinreichung weder einen Nachweis darüber erbracht, dass ihm die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten tatsächlich in Rechnung gestellt worden seien noch habe er zu diesem Zeitpunkt einen Nachweis über die geltend gemachten Dokumentationskosten erbracht. Er – der Beklagte – sei daher nicht verpflichtet gewesen, ohne diese Nachweise eine Zahlung vorzunehmen.
Der Beklagte ist ferner der Auffassung, dass der Gebührenstreitwert in Höhe von 30.000,00 €, auf dessen Grundlage die Klägerseite die Rechtsanwaltskosten berechnet habe, zu hoch angesetzt sei, da er im Jahre 2017 unstreitig lediglich Verkäufe mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 2.000,00 € – 3.000,00 € getätigt habe.
II.
Der Anlass zur Einreichung der Klage ist durch Zahlung der Klageforderung in dem Zeitraum weggefallen, in welchem die Klage zwar bei Gericht eingegangen, dem Beklagten jedoch nicht zugestellt worden war. Das Gericht hatte daher gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Nach diesen Grundsätzen waren die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen; denn er wäre in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen gewesen, wenn er nicht vor Zustellung der Klage gezahlt hätte.
1. Der Kläger hatte gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 1.523,56 € aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, da die Abmahnung berechtigt und die Aufwendungen erforderlich waren.
a) Ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG stand dem Kläger wegen sämtlicher gerügter Informationspflichtverletzungen zu.
aa) Die Parteien waren Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Sie standen als Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander. Eine gewerbliche Tätigkeit setzt ein selbständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus (BGH, Urte. V. 29.03.2006 – VIII ZR 173/05 in BGHZ 167, 40). Ob ein Anbieter von Waren auf einer Internetplattform solchermaßen im geschäftlichen Verkehr oder im privaten Bereich handelt, ist auf Grund einer Gesamtschau der relevanten Umstände zu beurteilen. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr, an das im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, liegt nahe, wenn ein Anbieter im Internet wiederholt mit gleichartigen, insbesondere auch neuen Gegenständen handelt. Dafür können neben der Art der angebotenen Waren auch die Anzahl der getätigten Verkäufe und die Zahl der vorliegenden Bewertungen durch die Käufer entscheiden sein. Eine Anzahl von 74 Bewertungen in etwa 10 Monaten ist dabei als erhebliches Indiz gewürdigt worden (BGH, Urt. v. 04.12.2008 – I ZR 3/06 in GRUR 2009, 871; OLG Hamm, Urt. v. 21.08.2012 – 4 U 114/12 in GRUR-RS 2013, 00045). Bereits das Verkaufen schenkweiser erworbener, defekter Digitalkameras (Stückzahl etwa 80) über einen Zeitraum von ungefähr 4 Monaten bei einem Gesamtumsatz i.H.v. 400 € wurde ohne Hinzutreten weiterer Indizien als gewerblich eingestuft (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 05.01.2012 – 4 U 161/11).
Wie der Kläger unbestritten dargelegt hat, unterbreitete der Beklagte zeitgleich insgesamt 111 Angebote gleichartiger Waren auf eBay. Davon handelte es sich bei 104 Angeboten um Neuware. In den vorausgegangenen 12 Monaten erhielt der Beklagte zudem 402 Käuferbewertungen. Eine gewerbliche Tätigkeit des Beklagten liegt nach den oben genannten Beurteilungskriterien eindeutig vor.
Gegen eine gewerbliche Tätigkeit spricht auch nicht der mit 2.000,00 – 3.000,00 € letztlich begrenzte Umsatz des Beklagten. Denn die Unternehmerstellung des Verkäufers setzt im Sinne eines wirksamen Verbraucherschutzes noch nicht einmal voraus, dass dieser die Absicht verfolgt, überhaupt Gewinn zu erzielen (OLG Hamm, Beschluss v. 05.01.2012 – 4 U 161//; BGH, Urteil vom 29. März 2006 – VII ZR 173/05 in NJW 2006, 2250).
bb) Das vom Kläger beanstandete Internetangebot der Beklagten stellt außerdem eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 abs. 1 Nr. 1 UWG dar.
cc) Sämtlicher der gerügten Informationspflichtverletzungen sind unzulässig nach § 3 UWG.
(1) Die Unzulässigkeit hinsichtlich des Auftretens des Beklagten als privater Verkäufer ergibt sich aus § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 23 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Nach Nr. 23 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG stellt die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, der Unternehmer sei Verbraucher oder nicht für Zwecke seines Geschäfts, Handels, Gewerbes oder Berufs tätig, eine unzulässige geschäftliche Handlung dar. Hier hat der Beklagte ausweislich des vom Kläger exemplarisch vorgelegten Angebots (Anlage 2) seine Verkäufe ausdrücklich als Privatverkäufe ausgewiesen, obwohl er unternehmerisch tätig war.
(2) Ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, 3 UWG bestand ferner hinsichtlich der fehlenden Angaben zur Anbieterkennzeichnung. Als gewerblicher Verkäufer auf eBay war der Beklagte verpflichtet, die nach § 5 Abs. 1 TMG notwendigen Pflichtangaben zur Anbieterkennzeichnung anzugeben. Dies ist ausweislich des exemplarisch abgedruckten Angebots des Beklagten nicht geschehen. Der Beklagte verstieß damit spürbar gegen eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG (vgl. LG Dessau-Roßlau Urt. v. 11.1.2017 – 3 O 36/16 in BeckRS 2017, 101487).
(3) Ferner enthielt das Angebot des Beklagten nicht den nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PAngV geforderten Hinweis, dass der angegebene Preis die Umsatzsteuer enthält. Nach § 1 Abs. 7 PAngV muss eine solche Angabe dem Angebot eindeutig zuzuordnen sein sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar gemacht sein. Ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß i.S.d. § 3, 3a UWG liegt vor (vgl. auch BGH, Urtl. v. 4.10.2007 – I ZR 143/04 in BeckRS 2007, 18603, Rn. 25; LG Bochum, Urt. v. 3.7.2012 – I-17 O 76/12 in BeckRS 2012, 18888).
(4) Ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, 3, 3 a UWG stand dem Kläger auch hinsichtlich der fehlenden Belehrung über das Widerrufsrechts an sich und das Muster-Widerrufsformulars (§ 312 d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246 a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, § 312 g Abs. 1 BGB) zu. Die als gewerblich zu qualifizierenden Angebote des Beklagten auf der Internetplattform eBay richteten sich an Verbraucher. Daher waren die Vorschriften über das Fernabsatzgeschäft zu beachten und anzuwenden. Dem Verbraucher stand für den Fall des Vertragsabschlusses gemäß § 312g Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 355 ff. BGB ein Widerrufsrecht zu. Nach § 312 g Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 a § 1 Abs. 2 und 3 EGBGB müssen die Verbraucher über die Bedingungen, insbesondere über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts und die Rechtsfolgen des Widerrufs und das Musterwiderrufsformular (Anlage 2 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB) belehrt werden.
Diesen gesetzlich normierten Anforderungen wurde der Beklagte auf seinen Angebotsseiten nicht gerecht. Vielmehr fehlte eine Belehrung sowie ein Hinweis auf das Muster-Widerrufsformular vollständig. Das Fehlen dieser Informationen verletzte o.g. gesetzliche Vorschriften i.S.d. § 3a UWG. Die Vorschriften stellen dabei Marktverhaltensregeln zum Schutze des Verbrauchers nach § 3a UWG dar, deren Verletzung die Interessen der Verbraucher spürbar i.S.d. § 3a UWG beeinträchtigt (vgl. exemplarisch LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 1.10.2015 — 3 0 48/15 in BeckRS 2016, 14045).
(5) Der Beklagte ist zudem der gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 312 i Abs. 1 Nr. 2 BGB i. V. m. Art. 246c Nr. 2 EGBGB, den Kunden darüber zu informieren, ob der Vertragstext vom Unternehmer gespeichert und dem Kunden zugänglich gemacht wurde, in seiner Angebotsseite nicht nachgekommen. Die vorgenannte Vorschrift stellt dabei eine Marktverhaltensregel zum Schutze des Verbrauchers nach § 3a UWG dar, deren Verletzung die Interessen der Verbraucher spürbar i.S.d. § 3a UWG beeinträchtigt (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 27.8.2015 — 101 0 85/15 in BeckRS 2015, 18656).
(6) Ferner war der Beklagte als Unternehmer gehalten, gemäß § 312 d BGB i. V. m. Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 EGBGB den Verbraucher über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechtes zu informieren. Das vom Kläger vorgelegte Angebot des Beklagten enthält darüber keine Information. Vielmehr weist es die Möglichkeit einer gesetzlichen Mängelhaftung durch den Beklagten ausdrücklich zurück. Ein Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 3a UWG lag vor. (vgl. LG Dessau- Roßlau, Urteil vom 01.10.2015 – 3 0 48/15).
(7) Dem Kläger stand der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch hinsichtlich des fehlenden eigenen Links des Beklagten zur OS-Plattform aus den §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 3a UWG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 524/2013 zu. Die Verpflichtung zur Einstellung eines Links zur 05-Plattform nach Art. 14 11 ODR-Verordnung besteht insbesondere auch für die einzelnen Angebote auf einer Internetplattform wie eBay (OLG Hamm Hinweisbeschluss v. 3.8.2017 — 4 U 50/17, GRUR-RS 2017, 121013; OLG Koblenz, Urt. v. 25.1.2017 — 9 W 426/16 in GRUR-RR 2017, 147).
Das Fehlen eines entsprechenden Links auf den Angebotsseiten des Beklagten war wettbewerbswidrig. Bei den in Art. 14 ODR-Verordnung geregelten Informationspflichten handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG, weil sie der Verbreitung der Kenntnis von dem Bestehen der OS-Plattform bei möglichst vielen Verbrauchern und damit deren Interesse als Marktteilnehmer dienen. Der Verstoß gegen Art. 14 I ODR-Verordnung ist auch geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar iSd § 3 a UWG zu beeinträchtigen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 25.1.2017 — 9 W 426/16 in GRUR-RR 2017, 147; vgl. OLG München, Urt. v. 22.9.2016 — 29 U 2498/16, GRUR-RS 2016, 108898).
(8) Ebenfalls bestand ein Unterlassungsanspruch des Klägers wegen fehlender Datenschutzerklärung aus den §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 3a UWG i.V.m. § 13 Abs. 1 TMG.
Zwar ist gegenwärtig die Rechtslage hinsichtlich der Abmahnfähigkeit eines Verstoßes gegen § 13 Abs. 1 TMG durch Geltung der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO, Verordnung EU 2016/679) seit dem 25.05.2018 aufgrund eines ggf. bestehenden Anwendungsvorrangs ebendieser gegenüber dem TMG und aufgrund abschließender Regelungen zur Rechtsdurchsetzung in Art. 80 DS-GVO, welcher keine Verfolgung eines Verstoßes gegen die DS-GVO (der hier wegen Art. 12, 13 DSGVO naheläge) durch Mitbewerber i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 vorsieht, unklar.
Allerdings galt zum Zeitpunkt der Abmahnung am 23.03.2018 noch altes Recht, mithin kommt § 13 Abs. 1 TMG uneingeschränkt zur Anwendung. § 13 Abs. 1 TMG ist als abmahnfähige Marktverhaltensregelung § 3a UWG einzuordnen (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 27. 6. 2013 — 3 U 26/12 in GRUR-RR 2013, 482). Gegen diese Marktverhaltensregelung verstieß der Beklagte hier durch das vollständige Fehlen einer Datenschutzerklärung spürbar i.S.d. § 3a UWG.
(9) Der Unterlassungsanspruch des Klägers hinsichtlich der im Angebot des Beklagten fehlenden, in der Textilkennzeichnungsverordnung (TextilKennzVO, VO (EU) 1007/2011) geforderten Angaben zur Textilfaserzusammensetzung ergibt sich aus § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 3a UWG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 der TextilKennzVO. Stellt ein Händler ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereit, hat er nach Art. 15 Abs. 3 TextilKennzVO sicherzustellen, dass es die entsprechende Etikettierung oder Kennzeichnung gemäß dieser Verordnung trägt. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 TextilKennzVO müssen, wenn Textilerzeugnisse Verbrauchern zum Kauf angeboten werden, die in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 TextilKennzVO genannten Informationen dem Verbraucher schon vor dem Kauf deutlich sichtbar sein, und zwar auch dann, wenn der Kauf auf elektronischem Wege erfolgt (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 TextilKennzVO). Das exemplarisch abgedruckte Angebot des Beklagten von Damenunterwäsche, welche als Textilerzeugnis i.S.d. Art. 3 Abs. 1 a) der TextilKennzVO anzusehen ist, enthält keinerlei Informationen zur Textilfaserzusammensetzung.
Bei der TextilKennzVO handelt es sich auch um eine Marktverhaltensregelung im Interesse der Verbraucher i.S.d. § 3a UWG, da sie als Produktkennzeichnungspflicht durchweg dem Schutz der Verbraucher dient (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 20.2.2014 — 4 W 19/14 in BeckRS 2015, 02899; BGH, Urt. v. 24.3.2016 — I ZR 7/15 in GRUR 2016, 1068; OLG Köln, Urt. v. 19.6.2015 — 6 U 183/14 in BeckRS 2015, 11875).
dd) Die Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG wurde aufgrund der bereits verwirklichten Verstöße vermutet (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG, 36. Auflage, § 8 Rn. 1.43)
b) Nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG kann der Kläger den Ersatz der für die berechtigte Abmahnung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers richtet sich nach § 257 S. 1 BGB grundsätzlich auf die Befreiung von der Verbindlichkeit, die sie mit der Beauftragung des Anwalts eingegangen ist, im Interesse des Beklagten die Abmahnung für sie auszusprechen.
Der Einwand des Beklagten, eine Zahlungspflicht des Beklagten habe mangels Rechnungsvorlage der geltend gemachten Rechtsanwalts- und Dokumentationskosten zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bestanden, verfängt nicht. Der Anspruch auf Freistellung bzw. Zahlung setzt nicht zwingend voraus, dass der Anwalt bzw. der mit der Dokumentation Beauftragte seinem Auftraggeber bereits eine Rechnung gestellt hat.
Der Freistellungsanspruch des Klägers ist dabei nach der Eingehung der Verbindlichkeit sofort fällig geworden. Auf die Fälligkeit der Gebührenforderung des Rechtsanwalts oder der Forderung des Dokumentationsbeauftragten kommt es im Rahmen der Geltendmachung des Freistellungsanspruchs nicht an. Denn wenn die zu ersetzende Aufwendung in der Eingehung einer Verbindlichkeit besteht, kann der Ersatzberechtigte auch schon Befreiung von der lediglich übernommenen, aber noch nicht erfüllten Pflicht verlangen. Der gesetzliche Befreiungsanspruch nach § 257 S. 1 BGB wird dabei nach allgemeiner Meinung sofort mit der Eingehung der Verbindlichkeit fällig, von der freizustellen ist, und zwar unabhängig davon, ob diese Verbindlichkeit ihrerseits bereits fällig ist. Das ergibt sich eindeutig aus § 257 S. 2 BGB, der regelt, dass der Ersatzpflichtige Sicherheit leisten kann, wenn die Verbindlichkeit noch nicht fällig ist (vgl. BGH, Urt. v. 05.05.2010 – III ZR 209/09 in NJW 201 Dokumentationsbeauftragten gegenüber dem Kläger an. (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 3.9.2013 — 4 U 58/13 in GRUR-RR 2014, 133).
2. Es bestand auch entgegen der Auffassung des Beklagten Anlass zur Klageerhebung, da die in Rede stehende Abmahnung bereits mit Schreiben vorn 29.03.2018 (Anlage K9) seitens des Beklagten für nicht berechtigt gehalten wurde. Mit Schreiben vorn 04.04.2018 (Anlage B1) wurde eine Zahlungspflicht des Beklagten hinsichtlich der Rechtsanwalts- und Dokumentationskosten dem Grunde nach abgelehnt. Eine gewerbliche Tätigkeit durch den Beklagten wurde verneint und der zugrunde gelegte Gebührenstreitwert i.H.v. 30.000,00 € als zu hoch angesehen. Die Begleichung der geforderten Kosten wurde mithin nicht erkennbar nur von der Vorlage der Rechnungen der angefallenen Abmahn- und Dokumentationskosten abhängig gemacht, sodass Anlass zur Klage bestand.
3. Der Anspruch war auch der Höhe nach begründet. Der auf die Rechtsanwaltsgebühren entfallende Betrag i.H.v. 1.358,86 € ergibt sich zutreffend auf der Basis eines Gegenstandswerts von 30.000,00 €, der als Hauptsachestreitwert angemessen und nicht zu beanstanden war, und einer Gebühr von 1,3 gem. Nr. 1. 2300 VV RVG und Auslagenpauschale gern. Nr. 7002 VV RVG zzgl. 19 % Umsatzsteuer.
Gem. § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert vom Gericht nach Ermessen auf der Grundlage des objektiven Interesses des Klägers an der Erlangung des von ihm begehrten Rechtsschutzes festzusetzen, wobei das Interesse maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insb. seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit, bestimmt wird (vgl. BGH, Besohl. v. 26.04.1990 – I ZR 58/89 in GRUR 1990, 1052, 1053). Zu berücksichtigen sind bei der Klage eines Mitbewerbers unter anderem die Unternehmensverhältnisse beim Verletzter und beim Verletzten, die Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten und eine Nachahmungsgefahr, welche insbesondere von der Auffälligkeit der Verletzungshandlung abhängt (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Auflage 2018, Rn. 5.6). Der vom Kläger vorgenommenen Streitwertangabe kommt dabei zwar eine indizielle Bedeutung für den wirklichen Wert des Gegenstands zu. In das Belieben des Klägers ist der Streitwert jedoch nicht gestellt. Sein Vorschlag ist daher nicht einfach zu übernehmen, sondern anhand der objektiven Gegebenheiten und unter Heranziehung der Erfahrung und üblicher Wertfestsetzungen in gleichartigen oder ähnlichen Fällen in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.05.1977 – I ZR 17/76 in GRUR 1977, 748).
Dieser Nachprüfung hält der vom Kläger zugrunde gelegte Gebührenstreitwert stand. Insbesondere begründete sich der Gebührenstreitwert i.H.v. 30.000,00 € durch die Vielzahl der begangenen Verstöße. Ferner sind die Verstöße auf der Verkaufsplattform eBay über das Internet und damit für eine potenziell enorme Anzahl von Personen sichtbar begangen, was eine hohe Auffälligkeit der Verletzungshandlung und damit eine große Nachahmungsgefahr mit sich brachte. Hinzukommend war eine hohe Intensität des Wettbewerbs zwischen den Parteien gegeben, da sie beide in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht exakt an die gleichen Kunden herantraten, nämlich an Kunden auf der Suche nach (Erotik-)Damenunterwäsche auf eBay. Dass der Beklagte lediglich einen Umsatz von etwa 2.000,00 — 3.000,00 € erzielte, wurde angemessen berücksichtigt. Der ermittelte Gebührenstreitwert wird durch übliche Wertfestsetzungen in ähnlich gelagerten Fällen bestätigt.
4. Auch die Dokumentationskosten in Höhe von 154,70 € waren berechtigt. Bereits mit Email vom 11.04.2018 (Anl. B3, Bl. 48 f d.A.) und damit vor der Zahlung am 12.04.2018 hatte der Kläger einen entsprechenden Nachweis über die ihm selbst berechneten Kosten vorgelegt.
5. Die Kosten der Einwohnermeldeamtsanfrage in Höhe von 10,00 € rechtfertigten sich aufgrund des unstreitigen Umzuges des Beklagten.
Nach Allem entsprach es billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen.
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