Ich wurde in dieser Sache von einer Hamburger Kanzlei wegen meiner Berichterstattung abgemahnt. Die Abmahnkanzlei sprach die Abmahnung im eigenen Namen aus und verlangte Abmahnkosten von fast 2.000 EUR erstattet. Da meine Berichterstattung tatsächlich einen Fehler enthielt, gab ich eine modifizierte Unterlassungserklärung ab, bezahlte aber nicht die geforderten Kosten. Die Kanzlei erhob beim LG Hamburg Klage gegen mich und scheiterte. Die Einzelheiten:

 

Landgericht Hamburg

Az.: 312 0.323/12

Verkündet am 19.02.2013

 

 

Urteil

IM NAMEN DES VOLKES

 

in der Sache

XXX

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte XXXXXXX

gegen

XXXXX

– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte XXXXX

wegen Forderung

 

erkennt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 12 – durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX, die Richterin am Landgericht XXX und

die Richterin am Landgericht XXX

 

am 19.02.2013 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2013 für Recht:

 

Die Klage wird abgewiesen

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Kanzlei von fünf Rechtsanwälten, verlangt die Erstattung von Abmahnkosten.

Die Klägerin betreibt eine mittelständische Rechtsanwaltskanzlei mit Ausrichtung auf gewerblichen Rechtsschutz, Urheber-, Medien- und Wettbewerbsrecht. Neben Privatpersonen vertreten die bei ihr tätigen Rechtsanwälte auch Unternehmen aus dem Unterhaltungssektor, zum Beispiel der Computerspiel-und Filmindustrie. Für diese Mandanten setzen die klägerischen Rechtsanwälte unter anderem auch außergerichtlich deren Urheber-und Leistungsschutzrechte gegenüber Dritten durch.

Der Beklagte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er vertritt u.a. Mandanten gegen urheberrechtliche Abmahnungen und Folgeansprüche von Rechteinhabern.

Die Kläger entdeckten am 22.5.2012 auf der Internetseite des Beklagten gemäß Anlage K 1, dass der Beklagte dort unter der Oberschrift „Wir helfen ihnen im Falle einer Abmahnung der XXX Rechtsanwälte XXX" in einer Liste der durch die Kläger angeblich Abgemahnten auch zwei pornographische Titel aufführte.

In der Zwischenüberschrift habe es geheißen: „Es werden unter anderem Filme/Pornos abgemahnt:", worauf die Titel „XXX" und „XXX" unmittelbar folgend prominent genannt worden seien.

Unter einer weiteren Zweitüberschrift „Es werden Abmahnungen z.B. für diese Auftraggeber ausgesprochen: […]" habe der Beklagte die Firma XXX als Auftraggeber der Kläger benannt. Bei dieser Firma handele es sich um ein Unternehmen, welches Bilder aus dem so genannten Hardcore-Porno-Bereich produziere (Anlage K 2).

Die Kläger mahnten den Beklagten gemäß Anlage K 3 am 24.5.2012 ab, der Beklagte gab – wie aus Anlage K 4 ersichtlich – eine Unterlassungserklärung ab. In dieser Erklärung teilte der Beklagte mit, dass die streitgegenständlichen Inhalte zwischenzeitlich wie gefordert widerrufen worden wären.

Die Klägerin meint, dass ihr ein Anspruch auf Erstattung ihrer Abmahnkosten aus § 12 I 2 UWG i.V.m. §§ 8 I, 3, 4 Nr. 7 und 8 UWG sowie i.V.m. § 3 UWG zustehe. Die Behauptungen des Beklagten und die von diesem veranlassten Suchergebnisse auf der Suchmaschine Google vermittelten der Öffentlichkeit und potentiellen sowie gegenwärtigen Mandanten auf den ersten Blick den Eindruck, dass die klägerischen Rechtsanwälte in erheblichem Umfang Mandanten aus der Pornobranche verträten. Diese wahrheitswidrige öffentliche Assoziierung sei geeignet, seriöse Mandantenkreise, insbesondere Unternehmen, die Wert auf ihre Außendarstellung legten, von einer Mandatierung der Klägerin abzuhalten. Der Gebührenerstattungsanspruch sei dem Grunde nach gegeben, weil es sich vorliegend um einen schwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstoß handle. Dies ergebe sich daraus, dass der Beklagte den Wettbewerbsverstoß in Abrede stelle sowie daraus, dass drei Rechtsanwälte, davon zwei Anwälte für gewerblichen Rechtsschutz, in einem landgerichtlichen Verfahren über die mehrfache wettbewerbsrechtliche Tatbestandsmäßigkeit eines außer Streit stehenden Sachverhalts stritten. Daraus ergebe sich, dass es sich nicht um typische, unschwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße handle. Der Beklagte zeige dies auch selbst, weil er sich als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz nicht selbst verteidige, sondern dies einem Kollegen überlasse.

Die Höhe des Gegenstandswertes sei angesichts der Mandantenstruktur der Klägerin sowie der Vielzahl der für diese Mandanten geführten Mandate angemessen.

Der Zinsanspruch ergebe sich aus §§ 280 II, 286 II Nr. 1, 288 1 BGB.

Der Gegenstandswert der Abmahnung vom € 132.000 setze sich zusammen aus € 100.000 für den Unterlassungsanspruch, € 20.000 für den Widerruf, € 12.000 für den Schadensersatzfeststellungsanspruch und — nicht geltend gemachten – € 500 für den Auskunftsanspruch.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

an die Klägerin einen Betrag in Höhe von Euro 1.980,40 nebst jährlichen Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 2.6.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte meint, er habe weder gegen § 4 Nr. 7 UWG noch gegen § 4 Nr. 8 UWG verstoßen.

Zwar habe seine streitgegenständliche Behauptung nicht den Tatsachen entsprochen, dennoch liege in der Erklärung, dass eine Rechtsanwaltskanzlei die Belange eines Produktionsunternehmens erotischer oder pornographische Inhalte wahrnehme, keine Herabsetzung oder Verunglimpfung. Das Thema habe abweichend vom Verständnis der 1950er bis 1960er Jahre in der deutschen Gesellschaft Akzeptanz gefunden. Der Beklagte habe die Firma ,,XXX" und die Titel der Filme auch in keiner Weise hervorgehoben verwendet. Eine Kreditschädigung sei daher nicht ersichtlich.

Eine Gebührenerstattung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil ein Anwalt, der selbst über die entsprechende Sachkenntnis im Wettbewerbsrecht verfüge, nach der

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine Kosten verlangen könne, wenn er wegen typischer Wettbewerbsverstöße in eigener Sache abmahne.

Der Beklagte hält den Gegenstandswert der Abmahnung für zu hoch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.1.2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Kostenerstattungsanspruch aus § 12 I 2 UWG.

Ein Rechtsanwalt, der sich selbst für die Abmahnung eines unschwer zu erkennenden Wettbewerbsverstoßes mandatiert, kann keine Anwaltsgebühren beanspruchen (vgl. BGH, GRUR 2004, 789 — Selbstauftrag; KG, AfP 2010, 271).

Dies entspricht der Rechtslage für Unternehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung oder für Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen, die in der Lage sind, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße ohne anwaltlichen Rat zu erkennen. Auch hier sieht die Rechtsprechung die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Abmahnung eines solchen Verstoßes als nicht erforderlich an. Die Erstattung der für eine Abmahnung gegebenenfalls aufgewendeten Anwaltsgebühren kann dann nicht verlangt werden (ständige Rechtsprechung, BGH, GRUR 1984, 691, 692 – Anwaltsabmahnung; BGH, GRUR 2004, 448 – Auswärtiger Rechtsanwalt IV, m.w. Nachw.). Erst recht muss ein Rechtsanwalt im Fall der eigenen Betroffenheit seine Sachkunde bei der Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes einsetzen. Die Zuziehung eines weiteren Rechtsanwalts ist bei typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen

nicht notwendig. Es besteht dann kein Anspruch auf Erstattung dafür anfallender Kosten. Entsprechendes gilt für den Fall der Selbstbeauftragung (BGH, GRUR 2004, 789, 790).

Bei der Klägerin arbeiten jedenfalls zwei Fachanwälte für gewerblichen Rechtsschutz. Damit ist ein Abmahnkostenerstattungsanspruch ausgeschlossen, wenn ein unschwer zu erkennender Wettbewerbsverstoß abgemahnt worden ist.

Das Vorliegen eines solchen, unschwer zu erkennenden Wettbewerbsverstoßes, ist vorliegend zu bejahen.

Die Tatsachen, die die Kläger vortragen, sind solche über eine Falschbehauptung im Internet, die sich nach ihrer Auffassung herabsetzend, verunglimpfend, betriebs- und kreditschädigend auswirken. Zu erkennen, dass dieser Sachverhalt, der sich in drei Sätzen zusammenfassen lässt, gegen § 4 Nr. 7 und 8 UWG verstoßen könnte, gehört zum normalen Tätigkeitsbereich eines Fachanwaltes für gewerblichen Rechtsschutz. Die Kläger, die ihre Klage als Gesellschaft angestrengt haben, und sich als „die Klägerin" bezeichnen, müssen sich insoweit wie ein Unternehmen, das eine Rechtsabteilung unterhält, behandeln lassen und können nicht darauf verweisen, dass nicht alle ihrer Rechtsanwälte Fachanwälte für gewerblichen Rechtsschutz sind.

Dass der Beklagte den Wettbewerbsverstoß in Abrede stellt, bedeutet nicht, dass es sich um einen schwer zu verfolgenden Verstoß handelt. Es bedeutet nur, dass die Parteien unterschiedlicher Rechtsauffassung dazu sind, ob ein Wettbewerbsverstoß vorliegt.

Den Klägern steht auch kein Kostenerstattungsanspruch aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683, 677, 670 BGB oder aus Schadensersatznormen zu.

Auch für Abmahnungen außerhalb des Wettbewerbsrechts sind Abmahnkosten nicht erstattungsfähig, wenn der Geschädigte selbst über eigene Fachkenntnisse und

Erfahrungen zur Abwickleing des konkreten Schadensfalls verfügt. Da der Geschädigte dieses Wissen in einfach gelagerten und aus seiner Sicht zweifelsfreien Fällen bei der erstmaligen Geltendmachung des Schadens einzusetzen hat, besteht weder ein Anspruch auf Erstattung von Kosten eines anderen Rechtsanwaltes noch für die Selbstbeauftragung (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 856, 857 Rz. 13, 15, 16). Vorliegend ist davon auszugehen, dass alle bei der Klägerin tätigen Rechtsanwälte über die entsprechenden eigenen Fachkenntnisse verfügen.

Soweit die Kläger darauf verweisen, dass der Beklagte die möglicherweise noch im Cache vorhandenen Behauptungen aus seiner Unterlassungserklärung ausgenommen habe, ist es für den vorliegenden Klageantrag ohne Relevanz.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenigen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

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