6.000 EUR Streitwert pro Lichtbild sind angemessen. Wer einen Rechtsanwalt mit der Aussprache einer Abmahnung beauftragt, der hat grundsätzlich auch die Kosten dafür zu tragen. Natürlich steht dem Auftraggeber ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Abgemahnten zu. Darum ging es im vorliegenden Rechtsstreit aber gar nicht.
Ein Fall aus dem Leben, wo sich der eigene Mandant mit Händen und Füßen gegen eine berechtigte Forderung wehrt. Jetzt musste das Amtsgericht Berlin eine Entscheidung treffen. Die Einzelheiten:
Amtsgericht Mitte
Az.: 25 C 93/20
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
XXXX
– Kläger –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Andreas Gerstel, Grabenstraße 63, 48268 Greven, Gz.: 32/20
gegen
XXXX
– Beklagter –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt XXXX
hat das Amtsgericht Mitte durch die Richterin am Amtsgericht XXXX am 14.01.2021 aufgrund des Sachstands vom 21.12.2020 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß 8 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.5.2020 zu zahlen.
- Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.954,46 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger, ein Rechtsanwalt, macht gegenüber dem Beklagten eine Vergütungsforderung geltend.
Im Dezember 2019 kontaktierte der Beklagte den Kläger per E-Mail wegen der widerrechtlichen Verwendung vom Beklagten gefertigter 8 Lichtbilder und einem Logo durch die Firma XXX und erkundigte sich nach der Möglichkeit einer Abmahnung. Mit E-Mail vom 9.1.2020 übersandte der Kläger dem Beklagten eine auf ihm lautende Vollmacht zur Unterschrift durch den Beklagten. Am gleichen Tag führten die Parteien ein Telefonat. Der Beklagte füllte die Vollmacht unter dem 13.1.2020 aus. Die Vollmacht, auf die für weitere Einzelheiten verwiesen wird (Anlage K1, Bl. 4 d. A.) enthielt den folgenden Passus in Fettdruck:
„Ich bin gem. $ 49 b Abs. 5 BRAO von meinem Prozessbevollmächtigten darüber belehrt worden, dass weder Betragsrahmen- noch Festgebühren der anwaltlichen Vergütungsberechnung zugrunde zu legen sind; die Gebühren vielmehr nach einem
Gegenstandswert zu berechnen sind.“
Der Passus wurde durch den Beklagten an der hierfür vorgesehenen Stelle angekreuzt.
Mit Einverständnis des Beklagten sprach der Kläger unter dem 16.1.2020 gegenüber der XXX eine schriftliche Abmahnung aus. Mit Schreiben vom 20.2.20 übermittelte der Kläger dem Beklagten seine Kostennote in Höhe von insgesamt 1.954,46 € brutto auf Grundlage eines Streitwertes von 54.000,00 € (6.000,00 € pro Lichtbild bzw. Logo). Der Beklagte beglich die Rechnung nicht.
Der Kläger ist der Auffassung, der Streitwert entspräche der ständigen Rechtsprechung in vergleichbaren Angelegenheiten.
Er beantragt mit der dem Beklagten am 20.5.20 zugestellten Klage, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, der Kläger habe im Rahmen eines Telefonats am 9.1.2020 keine Auskunft über die Kosten geben wollen. Erst in einem Telefonat am 16.1.20 habe der Kläger den möglichen Schadensersatzanspruch auf 180,00 € pro Foto/Logo beziffert, insgesamt also auf 3.240,00 € beziffert. Der Beklagte sei deswegen von einem Gegenstandswert von 3.240,00 € ausgegangen. Er meint der Kläger habe seine nach Treu und Glauben sowie § 49 b Abs. 5 BRAO bestehende Pflicht über die Höhe des Gegenstandwerts aufzuklären, verletzt.
Für das weitere Vorbringen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.954,46 € nach § 675 Abs. 1, 611 Abs. 1, 614 BGB.
Denn unstreitig bestand zwischen den Parteien ein Mandatsverhältnis über die Erteilung einer Abmahnung, welchem ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne von § 675 BGB zugrunde lag.
Hieran kann ein etwaiger Verstoß gegen § 49 b Abs. 5 BRAO nichts ändern. Eine Verletzung der dort normierten Hinweispflichten kann zwar Schadensersatzansprüche des Auftraggebers nach sich ziehen, es handelt sich aber nicht um ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB, sodass das Vertragsverhältnis und der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts hiervon unberührt bleibt (von Seltmann in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 49b BRAO BRAO, Rn. 68, mwNw).
Ein Verstoß gegen § 49 b Abs. 5 BRAO liegt zudem auch gar nicht vor, sodass auch ein Schadensersatzanspruch des Beklagten, den dieser dem Kläger gegebenenfalls gemäß § 242 BGB entgegenhalten könnte, ausscheiden muss: Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, hat der Rechtsanwalt nach dieser Vorschrift vor Übernahme des Auftrages hierauf hinzuweisen. Diesen Hinweis hat der Antragsgegner dem Antragsteller ausweislich der schriftlichen Erklärung 13.1.2020 (Anlage K1, Bl. 4 d. A.) erteilt. Über die Höhe der Vergütung muss dabei nach & 49 b Abs. 5 BRAO aber gerade nicht aufgeklärt wer den (Schneider in: Lützenkirchen, Anwalts-Handbuch Mietrecht, 6. Aufl. 2018, Rechtsanwaltsvergütung, Rn. 5d). Der Mandant muss bei Beauftragung eines Rechtsanwalts regelmäßig damit rechnen, dass er die gesetzliche anwaltliche Vergütung zu zahlen hat (OLG Bamberg, Urteil vom 05. Februar 2015-2 U 2/14 -, Rn. 45, juris). Eine Ausnahme gilt dann, wenn völlig unerwartet eine exorbitante Vergütung anfallen wird. Dies wurde etwa dann bejaht, wenn die Streitwerte vergangener Mandate nur einen kleinen Bruchteil des jetzt anfallenden Streitwerts betrugen (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 12. September 2007 – 1 U 676/06 – 210 -,, juris). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, vielmehr hat der Kläger Rechtsprechung benannt, wonach sich seine Streitwertvorstellung am Streitwertgefüge der Rechtsprechung orientiert, sodass die Wertfestsetzung jedenfalls vertretbar ist.
Für eine Fehlberatung hinsichtlich des Gegenstandswertes ist der Auftraggeber, hier also der Beklagte, darlegungs- und beweisbelastet (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2007 — IX ZR 105/06 -, juris). Seinen dahingehenden Vortrag, der Kläger habe im Laufe eines Telefonats am 16.1.20 einen geringeren Schadensersatzanspruch benannt und diesen auch zum Gegenstand des Verfahrens erklärt, hat der Beklagte nicht wirksam unter Beweis gestellt. Denn sofern der hierfür benannte Zeuge das Telefonat tatsächlich aufgrund der eingestellten Lautsprecherfunktion heimlich, also ohne Wissen des Klägers, mithörte, unterliegt dieser Beweisantritt einem Beweisverwertungsverbot (vgl. hierzu LG Heilbronn, Urteil vom 25. Juli 2012 – 5 O 462/11 WU -, Rn. 59, juris; LAG Köln, U.v. 4.10.2013 . 10 Sa 453.13 – juris Rn. 27 f., vgl. ferner BAG, U.v. 23.4.2009 – 6 AZR 189.08 — BAGE 130, 347 Rn. 21 ff.).
Gegen die Bezifferung des Streitwerts auf 6.000,00 € pro Lichtbild/Logo des gewerblich handelnden Beklagten gegenüber der ebenfalls gewerblich handelnden Abmahnungsgegnerin bestehen keine Bedenken. Die Festsetzung entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. März 2020 – 11 W 8/20 -, juris).
Der Zinsanspruch beruht auf 88 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf 8 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf 8 709S.2 ZPO.