Die Situation ist folgende: Erst wurde abgemahnt, dann eine einstweilige Verfügung beantragt, vom Gericht terminiert und es ist dann nach mündlicher Verhandlung die einstweilige Verfügung erlassen worden, sogenannte Urteilsverfügung. Was die meisten schon nicht wissen ist, dass eine solche Urteilsverfügung im Parteibetrieb zugestellt werden muss. Ein Rechtsanwalt sollte daher immer sofort bei Gericht eine verkürzte vollstreckbare Ausfertigung des Urteils beantragen, um dieses dann im Parteibetrieb zuzustellen. Es darf natürlich nicht an irgendwen, sondern an den Richtigen zugestellt werden! Ist der Antragsgegner anwaltlich vertreten, dann muss an den Prozessbevollmächtigten zugestellt werden. Was tun, wenn der Prozessbevollmächtigte das erbetene Empfangsbekenntnis nicht zurückschickt? Immerhin hat er das Fax bekommen, was der Sendebericht belegt, so dass möglicherweise eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 189 ZPO eingetreten ist?

Keine Mitwirkungspflicht des Rechtsanwalts nach § 14 BORA bei Zustellungen von Anwalt zu Anwalt

Spätestens seit dem Urteil des BGH vom 26.10.2015 – AnwSt (R) 4/15 sollte bekannt sein, dass einen Rechtsanwalt keine Mitwirkungspflicht bei Zustellungen von Anwalt zu Anwalt trifft. Der Einwand der Zustellungsvereitelung hilft hier also nicht weiter. Wird eine einstweilige Verfügung nicht fristgerecht binnen Monatsfrist vollzogen, so ist sie gemäß §§ 936, 929 Abs. 2, 925 ZPO aufzuheben. Um die Bestandskraft der Urteilsverfügung zu erhalten, muss die Vollziehung der Urteilsverfügung binnen eines Monats ab Verkündung des Urteils bewirkt werden. Die Amtszustellung der Urteilsverfügung (§ 317 I 1 ZPO) genügt für die Vollziehung nicht.

 

vgl. BGHZ 138, 166; OLG Köln GRUR 1993, 415, 416; OLG Stuttgart GRUR-RR 2009, 194; OLG Jena GRUR-RR 2011, 436

 

Bei Urteilsverfügungen muss zusätzlich eine Parteizustellung (§§ 191 ff ZPO) erfolgen.

 

vgl. BGH WRP 1989, 514, 517; Teplitzky Kap 55 Rn 42

Könnte eine Heilung nach § 189 ZPO vorliegen?

Unterstellt, die Urteilsverfügung sollte per Telefax von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden. Der „böse“ Anwalt unterschreibt aber das Empfangsbekenntis nicht und schickt es folglich auch nicht zurück. Braucht man denn überhaupt das Empfangsbekenntnis wirklich zurück, oder ist Heilung nach § 189 ZPO eingetreten. Die Vorschrift lautet:

§ 189 Heilung von Zustellungsmängeln

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist.

Derjenige, an den zugestellt werden soll muss auch den Willen haben, die Sendung als zugestellt entgegenzunehmen. Es fehlt am Empfangswillen, wenn dieser das Empfangsbekennntis nicht zurückschickt. Der Mangel des Empfangswillens kann auch nicht nach § 189 ZPO geheilt werden!

Eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO ist nicht erfolgt. Die Übermittlung an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin genügte den Anforderungen an eine Zustellung nach § 195 ZPO nicht. Vo-raussetzung für eine Zustellung nach § 195 ZPO ist neben der Kenntnis-nahme durch den Empfänger auch dessen Wille, die Sendung als zuge-stellt entgegenzunehmen (Zöller-Stöber, ZPO, 27. Aufl. § 195 Rz. 11). Der Wille ist vorliegend nicht festzustellen, da die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin das vorbereitete Empfangsbekenntnis nicht zurück-gesandt hat. Der Mangel des Empfangswillen kann nach § 189 ZPO nicht geheilt werden (Zöller-Stöber, ZPO, 27. Aufl. § 195 Rz. 11). Von daher kann dahinstehen, ob der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin nur den Beschluss oder auch die Anlagen AS3 und AS4 übermittelt hat.

 

vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juli 2010, Aktenzeichen: I-20 U 37/10

 

Eine Heilung nach § 189 ZPO ist in diesem Zusammenhang nicht dadurch erfolgt, dass die Antragsgegnerin durch ihre Prozessbevollmächtigten das Telefax nunmehr selbst vorgelegt hat. Der Mangel des Empfangswillens des Anwalts kann nicht geheilt werden (BGH NJW 1989, 1154; Zöller-Stöber, a.a.O., § 174 Rn. 6 a.E.). Die Heilung würde jedenfalls vorausset-zen, dass zugleich die Empfangsbereitschaft, die ggfs. auch konkludent zum Ausdruck gebracht sein kann, festgestellt wird (BGH a.a.O.; BVerwG NJW 2007, 3223). Diese ist aber weder mit der Vorlage der Faxsendung zum Ausdruck gekommen (anders als im Fall des BVerwG). Die Antrags-gegnerin war nämlich nicht mehr bereit, das Schriftstück als maßgeblich zugestellt anzusehen. Auf eine vormalige Empfangsbereitschaft kann nicht mehr geschlossen werden. Noch war diese Vorlage dann innerhalb der Vollziehungsfrist.

 

vgl. OLG Hamm, Urteil vom 12.01.2010, Aktenzeichen: 4 U 193/09

 

Unabdingbares Erfordernis für eine Zustellung sei eine unzweifelhafte Äu-ßerung des Willens, das Schriftstück zur Zustellung anzunehmen (vgl. BGH NJW 74, 1469 und 94, 2297; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Auflage, § 195 Rn. 5; Münchener Kommentar/Wenzel, 2. Auflage, § 198 Rn. 4; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Auflage, § 195 Rn. 11 und § 174 Rn. 6). An dieser Rechtslage hat sich die durch das Zustellungsreformgesetz von 2001 eingefügte Möglich-keit, die Zustellung auch durch Telekopie oder elektronische Mittel vorzu-nehmen (§ 174 Abs. 2 und 3 ZPO), nichts geändert. Die damit einhergehen-de Vervielfältigung der in Frage kommenden Briefkästen verbietet es im Gegenteil zum Schutze des Zustellungsadressaten in noch stärkeren Maße als vorher, den bloßen Zugang des Schriftstückes als ausreichend zu erach-ten. Wer mit der Möglichkeit rechnet, dass der gegnerische Verfahrensbe-vollmächtigte eine Zustellung per Fax oder elektronischem Dokument missbräuchlich zu einer Verschiebung des Zustellungszeitpunktes nutzt, muss auf die althergebrachten Mittel der Zustellung – etwa per Gerichts-vollzieher – zurückgreifen.

 

vgl. Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 04.07.2006, Aktenzeichen: 6 W 81/06

Würde bereits jede Übermittlung per Telefax ausreichen, um eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt vorzunehmen, so würden die geltenden gesetzlichen Vorschriften würden so ins Leere laufen. Denn immer dann, wenn der Anwalt das Empfangsbekenntnis nicht zurückschickt, würde eine Heilung nach 189 ZPO eintreten. Genau dies ist aber nicht der Fall.

 

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