Wenn Sie den Link anklicken gelangen Sie zum „Schaufenster“ des Verkäufers, bzw. dessen Verkäuferseite, auf welcher als erstes oben das Impressum steht, Angaben zur Rückgabe und Widerrufsrecht folgen usw. Etwas weiter unter sind dann auch Angaben zu den Versandkosten und genau dort steckt das Problem. Es geht um die in nachfolgender Grafik rot umrandete von Amazon selbst stammende Angabe zur Versanddauer:
Der rechtliche Hintergrund
Angaben wie „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ oder „Lieferzeit ca. 2-5 Tage“ stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Während letzterer Hinweis nach Auffassung des OLG München mit Beschluss vom 14.10.2014, Az.: 29 W 1935/14, zulässig sein soll, verstößt nach Auffassung des OLG Bremen (Urteil vom 05.10.2012, Az.: 2 U 49/12) die Angabe „voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ gegen § 308 Nr. 1 BGB.
Die Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ ermögliche dem Verwender eine nicht hinreichend bestimmte Frist für die Erbringung der Leistung. Damit werden die dem Kunden im Falle einer Fristüberschreitung zustehende Rechte, vor allem auf Schadensersatz bei Nichtleistung oder Verzögerung der Leistung und Rücktritt vom Kaufvertrag, ausgehöhlt. Der Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot erschwert es dem Kunden zudem, das Fristende selbst zu erkennen bzw. zu errechnen. Aufgrund der Relativierung der Angabe zur Versanddauer durch den Zusatz „voraussichtlich“ kann der Kunde somit nicht selbst zuverlässig einschätzen, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die Fälligkeit eintritt und zu welchem Zeitpunkt er den Verkäufer in Verzug setzen kann.
Da es sich bei der Norm des § 308 BGB um eine Marktverhaltensregel zum Schutz der Verbraucher handelt, ist der Hinweis gem. § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a. F.) nach Ansicht des OLG Bremen unlauter und es liege ein Wettbewerbsverstoß vor.
Angaben stammen von Amazon selbst und nicht von den Händlern
Bei Amazon sind die Angaben zur Lieferdauer automatisiert vorgegeben, sodass dem Verkäufer keine andere Möglichkeit bleibt, als eine der von den Internetplattformen festgelegten Optionen auszuwählen. Bei Amazon findet sich diese Angabe auf der jeweiligen Infoseite über den Unternehmer unter den Versandbedingungen des Verkäufers, vgl. oben.
Amazon hält Angabe „voraussichtlich“ bzgl. der Lieferzeit für zulässig
Amazon sagt:
„Wir halten die Formulierung „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Tage“ in der detaillierten Verkäuferinformation und die Formulierung „Versand voraussichtlich:“ auf der finalen Bestellseite für rechtlich in keiner Hinsicht zu beanstanden. Ebenso wie die auch vom OLG Bremen ausdrücklich als zulässig bezeichnete Formulierung „circa“ bedeutet auch die Formulierung „voraussichtlich“ eine rein objektive Einschätzung der Versanddauer, wie sie sich zum Zeitpunkt der Bestellung für den Verkäufer als realistisch darstellt.“
Nach Ansicht von Amazon ist die Formulierung „voraussichtlich“ hinsichtlich der Lieferdauer somit zulässig und verweist auf ein Urteil des OLG Bremen aus dem Jahr 2012 (Az.: 2 U 49/12). Darin wird die Formulierung „circa“ als rechtmäßig angesehen. Für Amazon ist diese Bezeichnung mit der Formulierung „voraussichtlich“ gleichzusetzen und deswegen rechtlich ok.
Leider setzt sich Amazon selbst nicht mit dem Urteil des OLG Bremen im Detail auseinander, da das Gericht seinerzeit ausdrücklich die Verwendung des Zusatzes „voraussichtlich“ bei der Lieferzeitangabe als unzulässig eingestuft hatte. Trotzdem erging das Urteil des OLG Bremen nicht im Zusammenhang mit der Lieferzeitangabe auf Amazon. Es steht hierbei eine aktuelle Entscheidung über den Zusatz bei Amazon aus.
Ich komme zu folgendem Ergebnis
Entweder Sie sehen aufgrund dieser Abmahngefahr von einem Handel bei Amazon ab, oder Sie nehmen eine Abmahnung in Kauf. Wäre ich an Ihrer Stelle, dann würde ich trotz dieser Abmahngefahr bei Amazon weiterhandeln. Ich weiß aus der Vergangenheit, dass Amazon meist die Kosten einer Abmahnung und eines sich anschließenden Gerichtsverfahrens übernommen hat. Sollte es überhaupt deswegen auch bei Ihnen zu einer Abmahnung kommen, so sollte sich umgehend mit Amazon in Verbindung gesetzt werden.
Kein Abmahnrisiko haben Sie nur, wenn Sie nicht bei Amazon handeln.
Ich halte eine Abmahnung wegen der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer“ auch für berechtigt, denn der Zusatz einer unbestimmten Angabe im Rahmen der Lieferzeitangabe, wie z.B. „voraussichtlich“, dehnt die Lieferfrist in einer Weise aus, die es dem Verbraucher in der Regel unmöglich macht, den Zeitpunkt der Lieferung nach zuverlässigen Kriterien zu ermitteln. Gerade im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer verzögerten Lieferung, die eine Besserstellung des Empfängers durch Verzugsregeln bewirken sollen, führt eine durch ungefähre Lieferangaben inzident bewirkte Fristausweitung zur Unzulässigkeit dieses Hinweises. Das Miteinbeziehen von unbestimmbaren Modalitäten, die eine Verzögerung rechtfertigen würden, sollte deshalb dem Verbraucher nicht auferlegt werden.
Ich gehe nicht davon aus, dass Amazon die Lieferzeitangabe ändern wird, da Amazon selbst diese Angabe als zulässig ansieht. Es wird daher einem gerichtlichen Verfahren vorbehalten bleiben, zu klären, ob die Ansicht Amazons Bestand haben oder fallen wird. Eine zuverlässige Möglichkeit zur Entfernung des Zusatzes „voraussichtlich“ aus den Lieferzeitangaben ist mir derzeit nicht bekannt.
Update: Der Amazon Verkäuferservice hat den Begriff „voraussichtlich“ aus den Texten entfernt.
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Machen Sie keine Experimente, wenn es um den Schutz Ihres Onlinehandels – Ihrer Existenz – geht!