Mal wieder nach Ansicht des Landgerichts Münster Rechtsmissbrauch. Diesmal im Ordnungsgeldverfahren. Wie geht das denn, fragen Sie sich? Ganz einfach: Nach ergangener einstweiliger Verfügung verstößt der Schuldner gegen den Unterlassungstitel, es wird ein Ordnungsgeld beantragt und wie beantragt auch verhängt. Der Gläubiger bietet dem Schuldner dann an, an ihn einen bestimmten Betrag zu zahlen und im Gegenzug den Ordnungsgeldantrag zurückzunehmen. Für das Landgericht Münster in klarer Fall von Rechtsmissbrauch. Das OLG Hamm hat Rechtsmissbrauch jedoch verneint. Hier die Einzelheiten:

025 O 14/18

 

LG Münster 

 

Beschluss

 

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

 

des Herrn XXX, Gläubiger,

 

Verfahrensbevollmächtigte:  Rechtsanwälte XXX,

 

gegen

 

Herrn XXX, Schuldner,

 

hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster

 

am 13.09.2018 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX, den Handelsrichter XXX und den Handelsrichter XXX

 

beschlossen:

 

Der sofortigen Beschwerde des Schuldners wird insoweit abgeholfen, als der Ordnungsgeldbeschluss der Kammer vom 11.04.2018 aufgehoben und der Antrag des Gläubigers auf Festsetzung von Ordnungsmitteln vom 02.03.2018 zugewiesen wird.

 

Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens trägt der Gläubiger.

 

Der Gegenstandswert für das Vollstreckungsverfahren wird auf 22.500 EUR festgesetzt.

 

Die weitergehenden sofortigen Beschwerden der Verfahrensbeteiligten werden zurückgewiesen.

 

Soweit den sofortigen Beschwerden nicht abgeholfen wurde, wird die Sache dem Oberlandesgericht Hamm als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gründe
I.

 

Der Gläubiger handelt auf dem Online-Marktplatz eBay unter dem Mitgliedsnamen

 

„XXX“ mit Kleidung und Accessoires, insbesondere Mützen. Der Schuldner vertreibt ebenfalls über eBay unter dem Namen „XXX“ Kleidung und Accessoires, darunter auch Mützen.

 

Am 09.01.2018 bot der Schuldner in seinem eBay-Shop ein „2er-Set Wintermütze plus Loopschal“ an. In der Produktbeschreibung wurde unter der Rubrik „Material“ angegeben: 90 % Acryl, 10 % Baumwolle. Dabei handelte es sich um einen Verstoß gegen das Kennzeichnungsgebot aus Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Anhang I der Textilkennzeichnungsverordnung (VO (EU) Nr. 1007/2011) und damit gegen § 3 a UWG.

 

Am 02.02.2018 beantragte der Gläubiger den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der es dem Schuldner untersagt werden sollte, Textilerzeugnisse feilzubieten und dabei die Materialbezeichnung „Acryl“ zu verwenden. Mit Datum vom 06.02.2018 erließ die Kammer eine dem Antrag des Gläubigers entsprechende einstweilige Verfügung (BI. 6 f. SH), die dem Schuldner am 16.02.2018 zugestellt wurde.

 

Mit Schriftsatz vom 02.03.2018 beantragte der Gläubiger die Verurteilung des Schuldners zur Zahlung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO. Der Gläubiger rügte, der Schuldner habe in acht am 26.02.2018 bei eBay veröffentlichten Angeboten gegen die Unterlassungsverpflichtung aus der einstweiligen Verfügung vom 06.02.2018 verstoßen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Antragsschrift (BI. 1 f. SH) Bezug genommen. Der Schuldner wehrte sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes mit der Begründung, er habe unter erheblichem zeitlichen Aufwand alle von ihm angebotenen Artikel im Einzelnen überprüft und Maßnahmen ergriffen, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Ein erneuter Verstoß gegen die Textilkennzeichnungsverordnung habe daher nicht bis zum 26.02.2018 vermieden werden können.

 

Mit Beschluss vom 11.04.2018 hat die Kammer den Schuldner zur Zahlung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 1.500,00 EUR verurteilt. Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens sind dem Gläubiger zu 3/8 und dem Schuldner zu 5/8 auferlegt worden, da die Kammer nur in fünf der von insgesamt acht in der Antragsschrift erwähnten Anzeigen tatsächlich einen Verstoß oder einer kerngleiche Verletzungshandlung gesehen hat. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Begründung des Beschlusses vom 11.04.2018 Bezug genommen. Ferner hat die Kammer den Wert für das Vollstreckungsverfahren auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

 

Mit Anwaltsschreiben vom 13.04.2018 bot der Gläubiger dem Schuldner an, den Ordnungsgeldantrag zurückzunehmen, wenn der Schuldner bereit sei, an den Gläubiger 1.000,00 EUR zu zahlen und keinen Kostenantrag zu stellen. In dem Schreiben heißt es unter anderem:

 

„Es dürfte Ihnen gewiss bekannt sein, dass durch die Antragsrücknahme dann kein Ordnungsgeld an die Staatskasse zu zahlen wäre. Möge Ihr Mandant selbst entscheiden, ob er 1.500,00 EUR an die Staatskasse bezahlt, oder 1.000,00 EUR an meinen Mandanten.“

 

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 13.04.2018 (BI. 65 f. SH) Bezug genommen.

 

Gegen den Beschluss vom 11.04.2018 haben sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt.

 

Der Gläubiger greift die Kostenentscheidung an. Er meint, es könne nicht relevant sein, ob der Schuldner nun in fünf oder in acht Fällen gegen die einstweilige Verfügung verstoßen habe. Dies könne allenfalls für die Höhe des Ordnungsgeldes von Bedeutung sein. Ferner sei der Verfahrenswert nicht richtig festgesetzt, er sei vielmehr mit 22.500,00 EUR zu bemessen.

 

Der Gläubiger beantragt,

 

1. dem Schuldner die Kosten des Vollstreckungsverfahrens aufzuerlegen,

 

2. den Verfahrenswert auf 22.500,00 EUR festzusetzen.

 

Der Schuldner hat keinen konkreten Antrag ausformuliert.

 

Aus seiner Rechtsmittelbegründung geht jedoch hervor, dass er den festgesetzten Streitwert für zu hoch hält. Ferner meint er unter näherer Darlegung, ihn träfen an den Verstößen gegen die einstweilige Verfügung kein Verschulden. Das Ordnungsgeld sei zu hoch bemessen. Außerdem sei das Verhalten des Gläubigers rechtsmissbräuchlich.

 

II.

 

1.

Der Antrag des Gläubigers auf Verurteilung des Schuldners zur Zahlung eines Ordnungsgeldes war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen. Die Vollstreckung der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 06.02.2018 stellt sich hier als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig dar. Dabei kann es aus Sicht der Kammer dahinstehen, ob sich diese Rechtsfolge aus § 8 Abs. 4 S. 1 UWG (zum Anwendungsbereich dieser Vorschrift siehe Köhler/Bornkamm/Feddersen, 36. Aufl. 2018, UWG § 8 Rn. 4.8) oder aus § 242 BGB ergibt. Missbräuchlich ist die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs dann, wenn das beherrschende Motiv sachfremde Ziele sind. Der Anspruchsberechtigte muss mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen verfolgen und diese müssen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Ein typisches Beispielsfall eines sachfremden Motivs ist das Gebührenerzielungsinteresse (vergleiche OLG Hamm, Urteil vom 23.01.2014 — 4 U 118/13-, juris Rn. 8). Dieser Obersatz muss aus Sicht der Kammer auch für den Fall der Durchführung des Verfahrens, hier die Zwangsvollstreckung gelten. Als sachfremdes Motiv kommt hier zwar nicht das Gebührenerzielunginteresse in Betracht, sondern das Interesse an der Vereinnahmung eines Teils des Ordnungsgeldes durch den Gläubiger. Auch dies unterliegt wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage nach der Auffassung der Kammer den zuvor zitierten Maßstäben.

 

Die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs sind erfüllt. Die Kammer geht davon aus, dass das vorrangige Ziel des Gläubigers wir nicht darin besteht, sich in schutzwürdiger Weise gegen wettbewerbswidriges Verhalten eines Konkurrenten zur Wehr zu setzen, sondern in der Vereinnahmung eines Teils des von der Kammer verhängten Ordnungsgeldes.

 

Dafür spricht das im Namen des Gläubigers verfasste Anwaltsschreiben vom 13.04.2018, mit welchem dem Schuldner angeboten wird, die Zahlung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 1.500,00 EUR gegen Zahlung eines Betrages von 1.000,00 EUR an den Gläubiger abzuwenden.

 

Eines der Ziele des UWG ist es, einem Mitbewerber zu ermöglichen, gegen das unlautere Verhalten eines Konkurrenten wirksam vorzugehen. Dazu gehört auch die zwangsweise Durchsetzung von erstrittenen Unterlassungstiteln. Diese erfolgt in der Regel durch Festsetzung eines spürbaren Ordnungsgeldes, welches den in Anspruch genommenen durch den mit der Zahlungsverpflichtung wirtschaftlichen Nachteil und die Drohung eines weiteren, in der Regel höheren Ordnungsgeldes im Wiederholungsfall dazu anhalten soll, die Unterlassungsverpflichtung einzuhalten. Je höher das Ordnungsgeld bemessen ist, desto wirksamer dürfte die Zwangsmaßnahme sein. Von daher dürfte, auf den hier streitigen Fall bezogen, von der Zahlung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 1.500,00 EUR nebst Verfahrenskosten eine höhere Zwangswirkung ausgehen als von der Zahlung eines Betrages i.H.v. 1.000,00 EUR an den Gläubiger ohne Verfahrenskosten. Dies gilt nicht nur, weil die finanzielle Belastungen im Zusammenhang mit dem streitigen Ordnungsgeldbeschluss für den Schuldner höher ist, sondern auch, weil ein wesentliches Argument für ein deutlich höheres Ordnungsgeld in einem etwaigen Wiederholungsfall wegfällt. Dies belegt, dass es dem Gläubiger in diesem Fall nicht um die Effektivität der Zwangsvollstreckung geht, sondern um die Vereinnahmung eines Teilbetrags des Ordnungsgeldes.

 

Hinzu kommen zwei weitere Indizien, die den Verdacht der missbräuchlichen Geltendmachung des Ordnungsgeldes erhärten. Zum einen hat der Gläubiger in seinem Ordnungsgeldantrag vom 02.03.2018 acht Verstöße gegen die einstweilige Verfügung reklamiert, von denen drei offensichtlich nicht zutreffend waren. Zum anderen wurde der Ordnungsgeldantrag äußerst schnell gestellt. Die Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Schuldner erfolgte am 16.02.2018, der Ordnungsgeldantrag bezieht sich auf die Verstöße vom 26.02.2018. Somit hat der Gläubiger dem Schuldner gerade einmal zehn Tage Zeit gegeben, seinen Onlineshop auf Verstöße gegen die einstweilige Verfügung und kerngleiche Verstöße zu überprüfen und Abhilfe zu schaffen.

 

Ergebnis dieser Gesamtbetrachtung ist aus Sicht der Kammer, dass der Gläubiger mit dem Vollstreckungsantrag in erster Linie eigene unmittelbare finanzielle Vorteile erzielen will.

 

2.

Die Änderung des Streitwerts erfolgt von Amts wegen nach § 63 Abs. 3 GKG. Es kann somit offenbleiben, ob die auf die Erhöhung des Streitswertes zielende sofortige Beschwerde des Gläubigers im Hinblick auf ein möglicherweise fehlendes rechtliches Interesse unzulässig sein könnte. Die Kammer verbleibt bei ihrer Auffassung, dass der Wert des Vollstreckungsverfahrens dem Wert des Hauptsacheverfahrens entspricht (siehe OLG Hamm, NJOZ 2014, 1426; OLG München, NJOZ 2016, 111). Insoweit ist, wie der Gläubiger zutreffend ausführt, auf den höheren Wert des Hauptsacheverfahrens abzustellen und nicht, wie geschehen, auf den Wert des einstweilen Verfügungsverfahrens. Der Wert des Hauptsacheverfahrens beträgt 22.500,00 EUR, da für das einstweilige Verfügungsverfahren ein Abschlag von einem Drittel zu machen war.

Die Rechtsauffassung des LG Münster hielt vor dem OLG Hamm nicht Stand. Hier die Entscheidung des OLG Hamm.

 

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