Das OLG Hamm hat der Rechtsauffassung des Landgerichts Münster eine klare Absage erteilt. Lesen Sie die Auffassung des LG Münster zum Rechtsmissbrauch im Ordnungsgeldverfahren hier:

 

Rechtsmissbrauch – Vollstreckung einstweilige Verfügung, LG Münster, 025 O 14/18

 

Das OLG Hamm sagt dazu folgendes:

I-4 W 106/18 + I-4 W 123/18
025 O 14/18

 

Oberlandesgericht Hamm

 

Beschluss 

 

In dem Rechtsstreit

 

 

des Herrn XXX,

 

Gläubigers, Beschwerdeführers und Beschwerdegegners,

 

Prozessbevollmächtigter: XXX

 

gegen

 

Herrn XXX,

 

Schuldner, Beschwerdegegner und Beschwerdeführer

 

Prozessbevollmächtigte: XXX

 

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX, die Richterin am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX am 14.02.2019 beschlossen:

 

Die Beschwerdeverfahren mit den Aktenzeichen 4W 106/18 und 4W 123/18 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 147 ZPO).

 

I. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 24.04.2018 gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichts Münster vom 11.04.2018 wird zurückgewiesen.

 

II. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 26.09.2018 wird der Beschluss des Landgerichts Münster vom 13.09.2018 und auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 30.04.2018 wird der Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts Münster vom 11.04.2018 (jeweils) teilweise abgeändert und das gegen den Schuldner verhängte Ordnungsgeld auf 1.000 € herabgesetzt.

 

Im Übrigen werden die sofortigen Beschwerden zurückgewiesen.

 

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Beschwerdewert: 22.500 €) tragen der Gläubiger zu 1/3 und der Schuldner zu 2/3.

 

 

Gründe

 

I.

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 24.04.2018 gegen den Ordnungsmittelbeschluss des Landgerichts Münster vom 11.04.2018 hat keinen Erfolg.

 

Es ist schon fraglich ob das Rechtsmittel, das sich, nachdem über die Streitwertbeschwerde bereits mit der Abhilfeentscheidung des Landgerichts vom 13.09.2018 zugunsten des Gläubigers entschieden worden ist, ausschließlich gegen die Kostenentscheidung des Beschlusses richtet, unter Berücksichtigung der Rechtsmittelsperre des § 99 Abs. 1 ZPO überhaupt zulässig ist. Dies ließe sich allenfalls mit der aufgrund der nachfolgenden sofortigen Beschwerde des Schuldners vom 30.04.2018 ohnehin notwendigen erneuten Beurteilung der Hauptsache begründen (vgl. zur Anschlussberufung nur wegen der Kosten BGH ZZP 71, 368; Musielak/Voit-Flockenhaus, ZPO, 15. Aufl., § 99 Rn. 5).

 

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn das Rechtsmittel ist unbegründet. Das Landgericht hat dem Gläubiger zu Recht einen Teil der Kosten des Verfahrens auferlegt. Erstreckt sich der Vollstreckungsantrag auf mehrere Einzelakte, kommt es nämlich darauf an, inwieweit der Antrag Erfolg hat (Senat VVRP 2001, 55, 57; Ahrens/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl., Kap 68 Rn. 42).

 

 

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 30.04.2018 gegen den Ordnungsmittelbeschluss vom 11.04.2018 hat teilweise Erfolg.

 

Die Beschwerde ist zulässig. Denn sie ist statthaft (§§ 793, 567 Abs.1 Nr.1 ZPO) sowie form- und fristgemäß eingelegt worden (§ 569 ZPO).

 

Das Rechtsmittel ist auch teilweise begründet.

 

a) Das auf den Ordnungsmittelantrag des Gläubigers vom 02.03.2018 hin vom Landgericht Bochum gegen den Schuldner verhängte Ordnungsgeld ist allerdings dem Grunde nach berechtigt.

 

aa) Der Ordnungsmittelantrag des Gläubigers scheitert nicht an dem vom Schuldner erhobenen Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB – und insoweit sind ohnehin grundsätzlich höhere Anforderungen zu stellen als bei dem im Rahmen des Ordnungsmittelverfahrens nicht anwendbaren § 8 Abs. 4 UWG.

 

Denn dieser Vorwurf ist unter den gegebenen Umständen nicht begründet.

 

(1) Er lässt sich insbesondere nicht mit dem Angebot des Gläubigers vom 13.04.2018 (Anlage XXX — BI. 65f. der Akten), den Ordnungsmittelantrag gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.000 € zurückzunehmen, rechtfertigen.

 

Denn hierbei handelt es sich um eine durchaus gängige Handhabung. Der Gläubiger hat in der vorliegenden Situation häufig ein für sich genommen nicht zu beanstandendes Interesse daran, dass es noch zu einer Einigung mit dem Schuldner kommt und dieser für den Verstoß einen angemessenen Betrag nicht an die Staatskasse, sondern an ihn zahlt sowie die Kosten des Verfahrens übernimmt. Im Gegenzuge verpflichtet sich dann der Gläubiger den Ordnungsmittelantrag zurückzunehmen, sobald er den vereinbarten Betrag und seine Kosten erhalten hat (hierzu u.a. Harte/Henning/Brüning, Vorb zu § 12 Rn. 315; Himmelsbach, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., Rn. 913 „Praxistipp“).

 

Ein Anreiz für den Schuldner zum Abschluss einer solchen Vereinbarung besteht selbstverständlich nur dann, wenn hiermit ein finanzieller Vorteil verbunden ist und dieser liegt regelmäßig — wie auch hier – darin, dass der an den Gläubiger zu zahlende Betrag unter dem festgesetzten Ordnungsgeld liegt.

 

Damit mag zwar die Wirkung der Zahlung als strafähnliche Sanktion für den begangenen Verstoß abgeschwächt werden. Der Zweck, künftigen Verstößen des Schuldners vorzubeugen, wird hierdurch indes nicht erheblich relativiert. Denn dem Schuldner droht im Wiederholungsfall so oder so ein, wenn auch „nur“ gegenüber dem vereinbarten — und unter den gegebenen Umständen auch schon mit 1.000 € spürbaren – Betrag deutlich höheres Ordnungsgeld.

 

(2) Dem Gläubiger kann auch nicht zum Nachteil gereichen, dass der Ordnungsmittelantrag im Hinblick auf die durch die Anlagen A4 und A6 dokumentierten Angebote unbegründet war. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass er (rechtsirrig) davon ausging, es handele sich hierbei um kerngleiche Verstöße des Schuldners gegen die Beschlussverfügung vom 06.02.2018.

 

(3) Letztlich gibt auch das frühzeitige Vorgehen des Gläubigers aus der Beschlussverfügung keinen Anhalt für ein missbräuchliches Handeln.

 

Der Schuldner hatte das gerichtliche Verbot zu beachten und fortan alles zu tun, um zukünftige Verstöße zu vermeiden, zumal er am 23.02.2018 eine Abschlusserklärung abgegeben hatte (Anlage 2 — Bl. 40 der Akten). Eine Aufbrauchs- respektive Umstellungsfrist war nicht beantragt, geschweige denn gewährt worden (zur Umstellungsfrist im Verfügungsverfahren u.a. Ahrens/Bähr, Der Wettbewerbsprozess 8. Aufl. Kap. 38 Rn. 21 mwN).

 

Dem Gläubiger stand es damit frei, das Angebot des Schuldners von Anfang an auf Verstöße hin zu überprüfen, um ihn ggf. schon beizeiten mithilfe von Ordnungsmitteln zur künftigen Einhaltung des Verbots anzuhalten.

 

bb) Der Schuldner hat mit den in den Anlagen A3 und A5 dokumentierten und vom Gläubiger beanstandeten Angeboten vom 26.02.2018 der ihm am 16.02.2018 zugestellten Beschlussverfügung des Landgerichts Münster vom 06.02.2018 objektiv zuwider gehandelt — und dies hatte der Schuldner schon in der Antragserwiderung vom 04.04.2018 letztlich nicht in Frage gestellt.

 

cc) Der Schuldner handelte hierbei zumindest schuldhaft und damit fahrlässig.

 

An den Schuldner sind insoweit strenge Anforderungen zu stellen. Er muss alles tun, was ihm im konkreten Fall möglich und zumutbar ist, um einen zukünftigen Verstoß gegen das Verbot zu vermeiden (KBF/Köhler/Feddersen UWG, 36 Aufl., § 12 Rn. 6.7).

 

Dies hat er letztendlich nicht getan.

 

Denn er hat trotz aller von ihm vorgetragenen Bemühungen keine hinreichenden Maßnahmen ergriffen, um einen Verstoß gegen das titulierte Unterlassungsgebot zu verhindern (KBF/Köhler/Feddersen, aaO., Rn. 6.8 mwN).

 

Der Schuldner kann sich insoweit nicht darauf berufen, er habe sich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gesehen, für die Einhaltung des Verbots Sorge zu tragen. Ihn entlastet auch nicht, dass den hiermit beauftragten Personen, und zwar seinem Schwiegersohn und der Mitarbeiterin […] eine abschließende Kontrolle sämtlicher 2702 Artikel nicht vor Anfang März 2018 möglich war. Sofern auf diesem Wege eine kurzfristige Beseitigung des mit den gesetzeswidrigen Angeboten hervorgerufenen Störungszustandes (vgl. zum Umfang der Unterlassungspflicht KBF/Köhler/Feddersen, aaO. Rn. 6.4 mwN) nicht gewährleistet war, hätte es dem Schuldner oblegen, hierfür anderweit – notfalls durch Deaktivierung noch nicht kontrollierter Angebote – Sorge zu tragen, und zwar frühzeitig. Eine erst am 27.02.2018 veranlasste sog. Shop-Tiefenprüfung über sodann 4 Wochen trug dem jedenfalls nicht Rechnung.

 

b) Allerdings rechtfertigt die schuldhafte Zuwiderhandlung des Schuldners gegen die einstweilige Verfügung „lediglich“ ein Ordnungsgeld in Höhe von insgesamt 1.000,00 €.

 

Bei der Festsetzung und der Höhe des Ordnungsgeldes kommt es insbesondere auf Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, den Grad des Verschuldens, aber auch den aus dem verbotswidrigen Verhalten gezogenen Vorteil an. Diese Faktoren sind zusammen mit der Gefährlichkeit der begangenen Verletzungshandlungen und der Auswirkung künftiger Zuwiderhandlungen auf den Gläubiger zu berücksichtigen. Im Ergebnis soll das Ordnungsgeld dazu beitragen, dass sich eine Zuwiderhandlung für den Schuldner nicht lohnt (vgl. BGH, WRP 2004, 235, 236 — Euro-Einführungsrabatt).

 

Auf der Grundlage dieser Vorgaben ist ein Betrag in Höhe von insgesamt 1.000,- € als gebotene Sanktion gleichermaßen erforderlich wie genügend und angemessen.

 

Denn der Schuldnerin ist trotz der seitens der Gläubigerin beanstandeten und mit den Anlagen 3 und 5 dokumentierten fünf Angebote letztlich insgesamt „nur“ eine Zuwiderhandlung auf der Internetplattform eBay vorzuwerfen. Unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Handlungseinheit können in der Zwangsvollstreckung nämliche mehrere – auch wie vorliegend fahrlässige — verbotswidrige Angebote zusammengefasst werden, die aufgrund ihres Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (vgl. BGH GRUR 2009, 427, 428 — Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel). Danach sind unter den gegebenen Umständen die Einzelangebote der Schuldnerin zu einer rechtlichen Handlungseinheit zu verklammern, die auf der Internetplattform eingestellt worden waren (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 18.09.2012, 4 U 105/12, juris).

 

Auf dieser Grundlage ist ein Betrag in Höhe von 1.000,- € vor allem unter Berücksichtigung der unstreitigen Bemühungen des Schuldners, sich an das Verbot der Beschlussverfügung zu halten, als gebotene Sanktion gleichermaßen erforderlich wie genügend und angemessen. Bereits hierdurch wird dem Zweck des Ordnungsmittels, die nicht einmal 2 Wochen nach Zustellung der Beschlussverfügung begangene insoweit „erstmalige“ Zuwiderhandlung strafähnlich zu sanktionieren, ausreichend Rechnung getragen.

 

Dementsprechend ist auch die – als solche zulässige (hierzu MünchKomm/Lipp, ZPO 5. Aufl., § 572 Rn. 10) – sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 26.09.2018 gegen den Abhilfebeschluss des Landgerichts vom 13.09.2018 lediglich teilweise begründet.

 

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 1 92, 97 Abs. 1 ZPO.

 

Da der Gläubiger im Beschwerdeverfahren teilweise unterlegen ist, waren ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens

 

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