Zahlreiche Betroffene haben Ärger mit der Commatis GmbH, welche sich durch die Brandes Rechtsanwälte aus Hamburg vertreten lässt. Die Commatis GmbH hat vor dem Amtsgericht Stendal eine Klage verloren. Lesen Sie hier die Einzelheiten des Urteils:

Amtsgericht Stendal

 

Aktenzeichen: 3 C 1024/15

 

 

Im Namen des Volkes

 

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

 

Commatis GmbH aus ÖSTERREICH, Klägerin

 

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte XXX

 

gegen

 

XXX, Beklagter

 

hat das Amtsgericht Stendal auf die mündliche Verhandlung vom 16.12.2015 am 09.03.2016 durch den Richter am Amtsgericht […] für Recht erkannt:

 

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

 

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

 

 

Tatbestand

 

Klägerin nimmt Beklagten auf Zahlung von Mitgliedsbeiträgen für die Nutzung des von ihr betriebenen Internetportals „Sexkiste.com“ im Zeitraum vom 14.07.2013 bis 17.12.2014 in Anspruch.

 

Die Klägerin betreibt unter anderen unter der obigen Bezeichnung eine Kontaktplattform. Am 12.07.2013 meldete sich der Beklagte gegen 08:43 Uhr unter seinem selbst gewählten Benutzernamen „[…]“, Passwort „[…]“, E-Mail-Adresse „[…]“, Membership Key „[…]“ auf der oben genannten Internetseite an. Später, um 08:45 Uhr, erhielt der Beklagte an seine mitgeteilte E-Mail-Adresse eine Kaufbestätigung. Dort heißt es:

 

Hallo, wir freuen uns dich als Premiumuser bei Sexkiste begrüßen zu dürfen. Deine Mitgliedsbeiträge werden wie folgt gebucht:

 

1. sofortige Buchung von 3,49 € (Probekauf von 2 Tagen)

 

2. nachfolgender periodischer Mitgliedsbeitrag von 39,90 € (Abbuchungsintervall 30 Tage)

 

dein Tarif:      2 Tage Test Zugang

 

Membershipkey: […]

 

Der Membershipkey ist erforderlich, um Änderungen an deiner bestehenden Mitgliedschaft vorzunehmen.

 

Für den Beklagten wurde der kostenfreie Zugang freigeschaltet.

 

Die Klägerin behauptet dann, der Beklagte habe am 14.07.2013 um 02:46 Uhr wieder die oben genannte Internetseite aufgerufen und habe aus den angezeigten Produkten das kostenpflichtige Angebot „Junior“ ausgewählt und somit eine kostenpflichtige, unbefristete sogenannte Premiummitgliedschaft in der Kontaktplattform zum monatlichen Mitgliedschaftspreis von 39,90 € gekauft. Der Beitrag war jeweils für 1 Monat im Voraus abzurechnen. Der Beklagte habe seine persönlichen Daten, Anschrift sowie Bankdaten eingegeben und einer Abrechnung im Lastschriftverfahren zugestimmt. Anschließend habe er durch seine Bestätigung von „Kaufen“ die kostenpflichtige Anmeldung abgeschlossen. Nach Absendung der Anmeldung wurde dem Beklagten an die angegebene E-Mail-Adresse die entsprechende Kaufbestätigung per 12.07.2013, um 08:43 Uhr übersandt.

 

Die Klägerin zog den ersten Monatsbeitrag ein. Der Beklagte loggte sich am 04.08.2013 auf der „Testzugangsseite“ ein.

 

Der Beitrag für August 2013 wurde zurückbelastet. Die Klägerin mahnte den Beklagten per E-Mail, diesen per 13.08.2013 fälligen Betrag zu zahlen. Hierauf teilte der Beklagte mit E-Mail vom 13.08.2013 mit, „ich denke hier liegt ein grundlegendes Missverständnis vor. Es wurde von mir nur ein Zugang für zwei Tage gebucht. An eine weitere Premiummitgliedschaft habe ich momentan kein Interesse und auch keine Zeit.“

 

In der Folgezeit mahnte die Klägerin den Beklagten mehrfach, die offene Forderung für den Zeitraum 12.07.2013 bis 31.07.2013 zu bezahlen. Da der Beklagte nicht zahlte, wurde er mit anwaltlichem Schreiben vom 27.09.2013 zur Zahlung des Betrages und der zusätzlich entstandenen Rücklastkosten aufgefordert. Diese und das letzte anwaltliche Mahnschreiben vom 17.12.2014 veranlassten den Beklagten nicht die Forderung der Klägerin zu bezahlen.

 

Die Klägerin beendete das Vertragsverhältnis von sich aus.

 

Mit der Klage begehrte die Klägerin die Monatsbeiträge von Juli 2013 bis 17.12.2014 in Höhe von jeweils 39,90 € sowie Nebenkosten (wie Mahnkosten, Bankgebühren etc.), insgesamt 718,20 €.

 

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe im Rahmen des kostenfreien Zugangs am 14.07.2013 eine kostenpflichtige Premiummitgliedschaft erworben. Die AGB der Klägerin und die Hinweise zur Datenverarbeitung sowie zum Rücktritts- und Widerrufsrecht habe der Beklagte vorher als gelesen akzeptiert. Eine Kündigung oder rechtzeitiger Widerruf sei nicht erfolgt. Das E-Mail des Beklagten vom 13.08.2013 stelle keine Kündigung dar. Er sei keineswegs in eine klassische Abofalle geraten. Er hätte das Vertragsverhältnis fristgerecht widerrufen oder später kündigen können. Aus einem Kauf auf Probe folge nicht anderes.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen 718 € nebst 5 § über dem Basiszinssatz seit dem 17.12.2014 sowie Mahnkosten in Höhe von 17,50 € Bankrücklastkosten in Höhe von 9,60 € und Auskunftskosten (Schufa) in Höhe von 7,50 € an die Klägerin, zu zahlen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte behauptet, er habe nur einen Testzugang für 2 Tage gewollt und gebucht, der auch nach dieser Zeit kostenfrei sein sollte. Einen kostenpflichtigen Vertrag habe er nicht schließen wollen. Es fehle an den für einen Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen. Er sei in eine sogenannte Abofalle geraten. Bereits mit Abschluss des Testzugangs für zwei Tage zu je 3,49 € sei eine kostenpflichtige Premiummitgliedschaft abgeschlossen worden. Dies sei nicht gewollt gewesen. Er habe auch nicht die Widerrufsbelehrung oder die AGB`s der Klägerin lesen müssen, bevor er seinen Aktivierungs-Pin-Code habe nutzen können, um auf die Internetseite der Kontaktplattform zu gelangen. Am 04.08.2013 habe er sich nur auf der Seite nur eingeloggt, um zu prüfen, ob eine Mitgliedschaft besteht, er in eine Abofalle geraten sei.

 

Eine Kündigung oder Widerruf sei nicht notwendig, da er keinen wirksamen Vertrag geschlossen habe.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann des Beklagten nicht auf Zahlung in Anspruch nehmen. Zwischen den Parteien ist entgegen der Ansicht der Klägerin kein kostenpflichtiger Vertrag über eine Mitgliedschaft an dem genannten Internet-Kontaktportal geschlossen worden, nachdem der Beklagte verpflichtet wäre, monatlich 39,90 € an die Klägerin zu zahlen. Es fehlen die für einen wirksamen Vertrag (§§ 145 ff BGB) erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen von Leistung und Gegenleistung. Das für einen Vertragsschluss auch bei Internetverträgen erforderliche Erklärungsbewusstsein bezog sich beim Beklagten ausschließlich auf den Abschluss eines Testzugangs zum Preis von 3,49 € pro Tag. Eine Mitgliedschaft mit einem monatlichen Beitrag von 39,90 € war nicht gewollt. Der Beklagte hat ein solches Erklärungsbewusstsein weder am 12.07.2013 noch am 14.07.2013. Er hat die hier streitige Mitgliedschaft entgegen des Vortrags der Klägerin auch nicht erst mit entsprechendem Erklärungsbewusstsein am 14.07.2015 oder später begründet. Die Klägerin bestätigt dem Beklagten – 2 Minuten nach dem er sich angemeldet hatte – bereits am 12.07.2013, das er eine Premiummitgliedschaft sowohl als Testzugang für 2 Tage (Probekauf von 2 Tagen) und gleichzeitig nachfolgend mit einem Mitgliedsbeitrag von monatlichen 39,90 € (Abbuchungsintervall 30 Tage), gekauft habe. Gleichzeitig wurde ihm sein Membershipkey für den 2 Tage Testzugang mitgeteilt. Dies steht im Widerspruch zum Vortrag der Klägerin, dass der Beklagte den Kauf der Premiummitgliedschaft erst nach 2 Tagen, am 14.07.2013, tätigte, als er seinen kostenfreien Account nutzte und das Paket „Junior“ wählte. Ob diese Konstruktion – 2 Tage Probekauf verdreckt kostenpflichtiges Abo – als nichtig im Sinne des § 134 BGB anzusehen ist, kann dahinstehen.

 

Die Klägerin kann den streitgegenständlichen Zahlungsanspruch jedenfalls auch nicht mit Erfolg auf die Einbeziehung ihrer AGB stützen, die der Beklagte zur Kenntnis genommen habe. Die AGB der Klägerin sind nicht geeignet, das streitige Vertragsverhältnis zu begründen. Sie sind nicht gemäß §§ 305 ff BGB wirksam vereinbart worden. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte sie durch „anklicken“ zur Kenntnis nehmen musste oder ohne die Möglichkeit der Kenntnisnahme auf die streitgegenständliche Kontaktplattform gelangen konnte.

 

Die von der Klägerin verwendete formularmäßige Entgeltabrede ist nicht Vertragsbestandteilt geworden. Sie stellt sich in der vorliegenden Konstruktion als überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB dar.

 

Nach dieser Vorschrift werden nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. juris BGH, Urteil vom 26. Juli 2012 – VII ZR 262/11 -, Rn. 10,) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit Ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Überraschenden Inhalt hat eine Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (BGH, Urteile vom 17. Mai 1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109, 113; vom 18. Mai 1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 25; vom 11. Dezember 2003 – III ZR 118/03, NJW-RR 2004, 780 unter II 2 d aa; vom 09. Dezember 2009 – XII ZR 109/08, NJW 2010, 671 Rn. 12; jeweils m.w.N.). Generell kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Vertragspartners, sondern auf die Erkennungsmöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreise an (BGH, Urteile vom 30. Oktober 1987 – V ZR 174/86, BGHZ 102, 152, 159; vom 24. Oktober 2000 – XI ZR 273/99, NJW-RR 2001, 1420 unter II 2 a aa; vom 10. September 2002 – XI ZR 305/01, NJW 2002, 3627 unter II). Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BGH, Urteile vom 17. Mai 1982 – VII ZR 316/81, aaO; vom 22. November 2005 – XI ZR 226/04, NJW-RR 2006, 490 Rn. 14; vom 21. Juli 2010 – XII ZR 189/08, NJW2010 3152 Rn. 27; Palandt/Grüneberg, BGB 71. Aufl., § 305c Rn. 4; Erman/Roloff, BGB, 13. Aufl., § 305c Rn. 12 f.; BeckOK BGB/H. Schmidt, Stand: 01. Mai 2012, § 305c Rn. 17, 38).

 

In diesem Fall ergibt sich aus der oben dargestellten Verknüpfung einer kostenfreien Anmeldung bei der Klägerin und eines Probezugangs zum Preis vom 3,49 € pro Tag, das ein durchschnittlich informierter und verständiger Internetnutzer nicht damit rechnen muss, dass er nicht nur das gewollte Probeabo bucht und bezahlt, sondern er bereits tatsächlich eine mehrmonatige Mitgliedschaft bei der Klägerin erwirbt. Ein Nutzer, dem auf der Internetseite sowohl ein Probezugang zum Preis von 3,49 € pro Tag und auch eine Premiummitgliedschaft zum monatlichen Betrag von 39,90 € angeboten werden, muss nicht damit rechnen, das er bereits die monatliche Mitgliedschaft kauft, wenn er sich nur für den Probezugang von 2 Tagen entschieden hat. Diese Verknüpfung macht die Entgeltklausel der Klägerin zu einer „überraschenden Klausel“ im Sinne des § 305 C BGB und ist damit unwirksam.

 

Dass der Beklagte sich im August noch einmal einloggte, führte zu keinem anderen Ergebnis. Dadurch wurde weder ein neuer Vertrag begründet noch wurde die Klausel wirksam.

 

Da die Klage hinsichtlich der Hauptforderung unbegründet ist, kann die Klägerin den Beklagten auch nicht mit Erfolg auf Zahlung der Nebenforderungen in Anspruch nehmen.

 

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 ff ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.