Abmahnschutzbrief, Kammergericht Berlin, Beschluss vom 30.09.2016, Az: 5 W 176/16

Abmahnschutzbrief – Ordnungsgeldantrag wird zurückgewiesen. Die Details:

Kammergericht

 

Beschluss

 

Geschäftsnummer: 5 W 176/16

 

91 O 42/15 Landgericht Berlin

 

In dem Ordnungsmittelverfahren

 

zu dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

 

1. XXX

 

2. der XXX AG,

 

vertreten d. d. Geschäftsführer XXX, Schuldnerin und Beschwerdeführerin,

 

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwalt XXX

 

Rechtsanwalt Andreas Gerstel, Grabenstraße 63, 48268 Greven –

 

gegen

 

die XXX Rechtsanwälte GbR, vertreten d. d. Gesellschafter XXX,

 

Gläubigerin und Beschwerdegegnerin,

 

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte XXX

 

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht XXX, die Richterin am Kammergericht XXX und den Richter am Kammergericht XXX am 30. September 2016 beschlossen:

 

1. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der Kammer für Handelssachen 91 des Landgerichts Berlin vom 3. März 2016 in der berichtigten Fassung vom 31. März 2016 – 91 0 42/15 – geändert und der Ordnungsgeldantrag der Gläubigerin vom 4. Februar 2016 zurückgewiesen.

 

2. Die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens beider Instanzen hat die Gläubigerin zu tragen.

 

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

 

Die Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin untersagte der Schuldnerin durch die am 20. Febru­ar 2015 zugestellte Beschlussverfügung vom 16. Februar 2015, außergerichtliche Rechtsdienstleisungen anzubieten und/oder zu erbringen und/oder für diese zu werben oder werben zu lassen, es sei denn, sie verfügt über eine Erlaubnis nach dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen oder nach einem anderen Gesetz, wenn es sich bei den Leistungen um die rechtliche Beurteilung von Onlineshops und/oder die rechtliche Beratung von deren Betreibern und/oder die Erstellung von Rechtstexten für die Onlineshops handelt, darunter insbesondere Widerrufsbelehrungen, AGB, Pflichtinformationen im Fernabsatz und/oder Datenschutzerklärungen, insbesondere unter der Bezeichnung „Abmahnschutzbrief“.

 

In der Antragsschrift hatte die Antragstellerin u.a. vorgetragen, ausweislich des Impressums der Internetseite „XXX “ und der dort vorgehaltenen „Allgemeinen Beratungsbedin­gungen für den Abmahnschutzbrief der XXX GmbH“ habe die Schuldnerin Rechtsdienst­leistungen angeboten. Die Schuldnerin gab eine Abschlusserklärung ab. Danach wurde das Ver­fahren wegen des Widerspruchs des am hiesigen Verfahren nicht beteiligten Antragsgegners zu 1 an die Kammer für Handelssachen verwiesen.

 

Am 15. Oktober 2015 verhängte die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen aufgrund eines Ordnungsmittelantrages der Antragstellerin gegen die Schuldnerin wegen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren ist beim Senat unter dem Aktenzeichen 5 W 30/16 anhängig.

 

Unter dem 3. März 2016 verhängte die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen aufgrund eines zweiten Ordnungsmittelantrages gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft. Der Schuldnerin wurde vorgeworfen, mit ihrem Internetauftritt unter „XXX“ weiterhin außergerichtliche Rechtsdienstleistungen beworben zu haben. Die Schuldnerin hat dem entgegen gehalten, dass im Impressum der Internetseite, in den dort vorgehaltenen AGB, in der Datenschutzerklärung und im Bestellformular des Abmahnschutzbriefes die Kanzlei des Rechtsanwalts XXX als Vertragspartner der Rechtsdienstleistungen bezeichnet gewesen sei. Die Schuldnerin sei lediglich als Vermittlerin des Auftrags an die Kanzlei XXX in Erscheinung getreten.

 

Die Schuldnerin hat sofortige Beschwerde eingelegt und über ihre bisherigen Einwendungen hinaus geltend gemacht, dass die Kammer über den Ordnungsmittelantrag hätte in voller Besetzung entscheiden müssen. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 793, § 567, § 569 ZPO zulässig. Sie ist auch begründet, weil das beanstandete Verhalten der Schuldnerin nicht in den Kernbereich des gerichtlichen Verbots fällt.

 

1.

 

Das Verbot umfasst über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Die Reichweite eines Unterlassungstitels ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der gesamten Entscheidung, gegebenenfalls auch unter Heranziehung der Klage- oder Antragsbegründung, zu ermitteln (BGH GRUR 2010, 855, Tz 17 in juris – Folienrollos).

 

Hier lag dem, abgesehen von dem Insbesondere-Zusatz, abstrakt gefassten Unterlassungstitel ein Angebot und die Werbung der Schuldnerin für von ihr im Rahmen eines „Abmahnschutzbriefes“ zu erbringende Rechtsdienstleistungen zugrunde. Die Zurechnung des Angebots und der Werbung an die Schuldnerin als Anbietende bzw. Werbende wurde in der Antragsschrift mit der Nennung der Schuldnerin im Impressum, in den auf deren Website vorgehaltenen AGB (die Schuldnerin wurde dort als Vertragspartnerin der Rechtsdienstleistungen aufgeführt) und mit der Gestaltung der Website (u.a. „Wir behalten die Rechtslage für Sie im Blick“ und „Unsere Leistungen für Ihre rechtssichere Online-Präsenz im Komplettpaket“) begründet. Auf dieser, fraglos die Urheberschaft der Schuldnerin belegenden Sachlage hat das Landgericht die Schuldnerin wegen des rechtswidrigen Angebots, der Erbringung und/oder des Bewerbens ihrer unerlaubten Rechtsdienstleistungen zur Unterlassung verurteilt.

 

Das von der Gläubigerin mit ihrem Ordnungsmittelantrag beanstandete Verhalten der Schuldnerin geht über das Charakteristische der dem abstrakten Verbot zugrundeliegenden konkreten Verletzungsform hinaus:

 

a)

 

Im Tatsächlichen ist davon auszugehen, dass im Impressum des Internetauftritts der Schuldnerin im angeblichen Verletzungszeitpunkt als Vertragspartner und Erbringer der Rechtsdienstleistungen Rechtsanwalt XXX angegeben war und die Schuldnerin den Kanzlei-Auftrag zwischen Interessenten des Abmahnschutzbriefes und Rechtsanwalt XXX (lediglich) vermittelt hat. Die Gläubigerin hat den diesbezüglichen Vortrag der Schuldnerin zwar bestritten. Sie ist indes bereits im parallelen Beschwerdeverfahren zum ersten Ordnungsgeldbeschluss 5 W 30/16 mit Verfügung vom 24. Mai 2016 darauf hingewiesen worden, dass es ihr als Gläubigerin obliegt, dazu vorzutragen, wer im Zeitpunkt eines angeblichen Titelverstoßes im Impressum der Seite „XXX“ als Anbieter der Rechtsdienstleistungen angegeben war. Denn der Gläubiger ist für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Verstoßes gegen das titulierte Verbot darlegungs- und beweispflichtig (OLG Nürnberg WRP 1999, 1184, Tz 4 und 13 in juris; Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 12 Rn 6.8). Entsprechendes gilt für den seitens der Schuldnerin vorgetragenen Inhalt der auf der Website der Schuldnerin vorgehaltenen AGB

 

(„ § 1… Der Rechtsberatungsvertrag für den Abmahnschutzbrief kommt zustande mit Rechtsanwalt XXX….“), der Datenschutzerklärung („..Sie können auf dieser Website Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die von Rechtsanwalt XXX angeboten werden…“) sowie des Bestellformulars des Abmahnschutzbriefes, das Rechtsanwalt XXX als Adressaten ausweist.

 

b)

 

Das Charakteristische an dem der Schuldnerin verbotenen Verhalten bestand im Anbieten, der Erbringung und/oder der Bewerbung (eigener) Rechtsdienstleistungen. Dazu, ob diese Begehungsweisen auch dann als erfüllt anzusehen sind, wenn die Website der Schuldnerin im Impressum und andernorts einen Rechtsanwalt (oder Rechtsanwälte) als Leistungserbringer und Vertragspartner aufführt, dessen (deren) Leistungen von der Schuldnerin (lediglich) vermittelt wer­den, verhält sich die Beschlussverfügung nicht, weil ein solcher Sachverhalt seinerzeit nicht zu würdigen war. Ob bei einer solchen Gestaltung der Website ein Verstoß gegen das Rechtsbera­tungsgesetz oder gegebenenfalls andere Bestimmungen vorliegt, bleibt einer materiell-rechtlichen Prüfung in einem Erkenntnisverfahren vorbehalten (vgl. BGH GRUR 2013, 1071 – Umsatzanga­ben, Tz 17 und 18 in juris). Im Ordnungsmittelverfahren kann hierüber nicht befunden werden.

 

c)

 

Aus Vorstehendem ergibt sich, dass die der Ordnungsmittelverhängung zugrunde gelegte Wer­bung der Schuldnerin für außergerichtliche Rechtsdienstleistungen nicht in den Verbotsbereich fällt. Denn das Werbeverbot wurde, wie oben ausgeführt, hinsichtlich von der Schuldnerin selbst angebotener und/oder zu erbringender Dienstleistungen ausgesprochen.

 

d)

 

Soweit die Gläubigerin die Auffassung vertritt, dass der Webauftritt der Schuldnerin unabhängig vom Inhalt des Impressums, der AGB, der Datenschutzerklärung und des Bestellformulars insbe­sondere durch die Textfassung in der „Wir“-Form den Eindruck vermittele, diese trete als Anbiete­rin von Rechtsdienstleistungen auf und bewerbe diese, erfordert dies eine materiell-rechtliche Prüfung, ob und inwieweit der veränderte Webauftritt der Schuldnerin den – möglicherweise irre­führenden – Eindruck eines eigenen Angebots und dessen Bewerbung seitens der Schuldnerin erweckt. Diese Prüfung kann, wie unter b) ausgeführt, nicht im Vollstreckungsverfahren vorge­nommen werden.

 

2.

 

Da der angefochtene Beschluss bereits mangels Verstoßes gegen das titulierte Verbot aufzuhe­ben ist, kann die Frage, ob die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen über den Ordnungs­mittelantrag ohne Mitwirkung der Handelsrichter entscheiden durfte, dahin stehen. Gleichwohl weist der Senat im Hinblick auf die künftige Praxis beim Landgericht darauf hin, dass aus den vom OLG Hamburg genannten Gründen (Beschluss vom 6.05.2009 – 5 W 33/09 – , Magazindienst 2010, 312) grundsätzlich die vollbesetzte Kammer für Handelssachen über Ordnungsmittelanträge zu entscheiden haben dürfte (ebenso Tombrink in Prütting/Gehrlein, ZPO, 8. Aufl., § 349 Rn 3; Spätgens in Ahrens, Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 67 Rn 3 a.E.; a.A. Stackmann in Mün­chener Kommentar, ZPO, 5. Aufl., § 349 Rn 24).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Wertfestsetzung auf § 51 Abs. 2 bis 4 GKG.

 

Aufhebung einstweilige Verfügung wegen fehlender Vollziehung, OLG Koblenz, Urteil vom 12.10.2016, Az: 9 U 924/16

Vollziehungsfrist nicht eingehalten, Folge: Aufhebung der einstweilige Verfügung, OLG Koblenz, Urteil vom 12.10.2016, Az: 9 U 924/16. Die Einzelheiten:

Oberlandesgericht Koblenz

 

Aktenzeichen: 9 U 924/16

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

In dem Rechtsstreit

 

XXX – Verfügungsbeklagte und Berufungsklägerin –

 

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Gerstel, Grabenstraße 63, 48268 Greven

 

gegen

 

XXX – Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte –

 

Prozessbevollmächtigte: XXX

 

wegen wettbewerbsrechtlicher Unterlassung (einstweilige Verfügung)

 

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Ober­landesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und die Richterin am Oberlandes­gericht XXX auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2016 für Recht erkannt:

 

1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 30.06.2016 (Az. 40 105/16) aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung zurückgewiesen.

 

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

3. Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe:

 

I.

 

Durch das am 30.06.2016 verkündete Urteil hat die Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin und Beklagte) eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanordnung im Wege der einstweiligen Verfügung erwirkt. Die Amtszustellung der Entscheidung an den Beklagtenvertreter erfolgte am 05.07.2016; die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils ist dem Klägervertreter am 14.07.2016 zugestellt worden.

 

Am 18.07.2016 hat die Klägerin eine beglaubigte Abschrift der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils per Post zum Zwecke der Zustellung von Anwalt zu Anwalt und vorab per Fax an den Beklagtenvertreter übermittelt, der das Empfangsbekenntnis nicht zurückgereicht hat. Am 01.08.2016 ist die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils per Gerichtsvollzieher an die Beklagte persönlich zugestellt worden.

 

Mit der Berufung beruft sich die Beklagte auf die nicht fristgerecht erfolgte Vollziehung der einstweiligen Verfügung und will die Aufhebung des Urteils erreichen.

 

II.

 

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

 

Die einstweilige Verfügung vom 30.06.2016 ist nicht innerhalb der von Amts wegen zu prüfenden Vollziehungsfrist der §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO vollzogen worden.

 

Nach den vorgenannten Vorschriften muss eine einstweilige Verfügung innerhalb eines Monats vollzogen werden, wobei die Frist hier mit der Verkündung des Urteils am 30.06.2016 zu laufen begonnen hat. Die Vollziehung der Urteilsverfügung durch die Klägerin hätte deshalb bis zum 01.08.2016 (Montag) durch Parteizustellung der vollstreckbaren Urteilsausfertigung an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten bewirkt sein müssen, §§ 922 Abs. 2, 936, 191, 172 ZPO. Dies ist nicht der Fall.

 

Es fehlt bereits an jeglicher Zustellung einer vollständigen vollstreckbaren Urteilsausfertigung (1); die bewirkten Zustellungen der unvollständigen Entscheidungen genügen zudem nicht den Anforderungen an die Vollziehung einer Urteilsverfügung (2).

 

1. Wird in einer Entscheidung über ein wettbewerbsrechtliches Unterlassungsverbot – wie hier im Tenor des Urteils vom 30.06.2017 – auf Anlagen Bezug genommen, sind die konkret bezeichneten Schriftstücke zum Bestandteil der Entscheidung gemacht worden mit der Folge, dass sie als Anlage zum Urteil zu nehmen, mit selbigem zu verbinden und mit diesem zusammen zuzustellen sind (OLG Koblenz, Magazindienst 2013, 516). Ist die Beifügung der Anlagen im Rahmen der vom Gericht von Amts wegen vorzunehmenden Zustellung an den Gläubiger versehentlich unterblieben und setzt sich dieser Zustellungsfehler bei der gem. § 922 Abs. 2 ZPO vom Gläubiger an den Schuldner vorzunehmenden Zustellung fort, entlastet dies den Gläubiger bei einer verkündeten Urteilsverfügung nicht, weil er die Vollständigkeit des von ihm zu vollziehenden Verfügungsurteils zu überprüfen und gegebenenfalls auf dessen Vervollständigung hinzuwirken hat.

 

2. Im Übrigen ist das Verfügungsurteil nicht fristgerecht vollzogen worden.

 

2.1 Unstreitig ersetzt die von der Klägerin am 18.07.2016 veranlasste postalische Übersendung einer beglaubigte Abschrift der vollstreckbaren Urteilsausfertigung nicht die Parteizustellung der Entscheidung, weil schon die Zustellung von Anwalt zu Anwalt nach § 195 ZPO mangels Rückgabe eines unterschriebenen Empfangsbekenntnisses nicht nachgewiesen ist.

 

Dem Beklagtenvertreter ist auch zu keinem Zeitpunkt eine vollstreckbare Ausfertigung im Parteibetrieb zugestellt worden. Eine solche Zustellung erfolgte am 01.08.2016 nur an die Partei selbst; an das Büro des Beklagtenvertreters war am 18.07.2016 nur eine beglaubigte Fotokopie der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils mit vorbereitetem Empfangsbekenntnis – laut Anschreiben „gemäß § 195 ZPO i.V. mit § 174 Abs. 2 ZPO von Anwalt zu Anwalt“ – übermittelt worden, wie dem vorgelegten Fax-Ausdruck zu entnehmen ist.

 

2.2 Eine Heilung der Zustellungsmängel ist nicht erfolgt. Weder konnte die am 01.08.2016 erfolgte (fehlerhafte) Parteizustellung an die Beklagte persönlich durch die vorangegangene Faxübermittlung einer beglaubigten Abschrift an den Beklagtenvertreter noch diese am 18.07.2016 erfolgte Faxübermittlung durch die spätere Parteizustellung an die Beklagte nach § 189 ZPO geheilt werden.

 

Nach § 189 ZPO gilt ein Dokument bei Zustellungsmängeln als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Bei der in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantworteten Frage, was unter Zugang eines Dokuments zu verstehen ist, folgt der Senat im Hinblick auf die Formenstrenge von Zustellungsvorschriften im einstweiligen Verfügungsverfahren der engeren Auffassung, nach der es bei Beteiligung eines Rechtsanwalts als Zustellungsempfänger nicht ausreicht, wenn das Schriftstück nur in seinen Herrschaftsbereich gelangt ist. Vielmehr erfordert der Umstand, dass unter gewöhnlichen Umständen Gelegenheit zur Kenntnisnahme besteht, bei einem Rechtsanwalt zusätzlich die Bereitschaft zur Kenntnisnahme, wenn ihm das Schriftstück gerade nicht durch Gerichtsvollzieher, sondern auf andere Weise „zugestellt“ worden ist (vgl. OVG Hamburg, NVwZ, 2005, 235). Die Anforderungen bei der Zustellung an einen Rechtsanwalt würden allzu weit herabgesetzt, wenn es ausreichen würde, dass das Schriftstück in seinen Besitz gelangt ist und dadurch jede fehlerhafte Zustellung – an den falschen Adressaten oder in falscher Form an den richtigen Adressaten – geheilt werden könnte. Nach Sinn und Zweck der Heilungsmöglichkeit gern. § 189 ZPO sollen Verstöße gegen Zustellungsvorschriften aber nur dann ohne Rechtsfolgen bleiben, wenn der Zweck der Zustellung auch ohne ihre Einhaltung erreicht wurde, insbesondere das zuzustellende Schriftstück so in die Hand des Empfängers gelangt ist, wie es bei ordnungsgemäßer Zustellung geschehen wäre (OVG Hamburg, aaO). Bei nicht durch Parteibetrieb erfolgter Zustellung an einen Rechtsanwalt gilt ein Schriftstück bei Zustellung gegen Empfangsbekenntnis aber erst in dem Zeitpunkt zugestellt, zu dem der Rechtsanwalt von dem Zugang Kenntnis erlangt und bereit ist, die Zustellung entgegenzunehmen.

 

Das Verfügungsurteil vom 30.06.2016 ist damit nicht fristgerecht vollzogen worden, sodass es auf die Berufung der Beklagten aufzuheben ist.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

4.500 Vertragsstrafe Bild, LG Leipzig, Urteil vom 25.11.2016, Az: 05 O 1185/16

1.500 EUR sind pro Bild als Vertragsstrafe nach Ansicht des Landgericht Leipzig, Urteil vom 25.11.2016, Az: 05 O 1185/16, bei Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung angemessen. Die Einzelheiten:

Urteil LG Leipzig 05 O 1185/16

 

Im Namen des Volkes

 

Endurteil

 

In dem Rechtsstreit

 

XXX, Klägerin

 

Prozessbevollmächtigte: XXX

 

gegen

 

1. XXX, Beklagte

 

2. XXX, Beklagte

 

3. XXX, Beklagte

 

Prozessbevollmächtigter zu 1-3:

 

Rechtsanwalt Andreas Gerstel, Grabenstraße 63, 48268 Greven, Gz.: XXX

 

wegen Forderung

 

hat die 5. Zvilkammer des Landgerichts Leipzig durch Richterin am Landgericht XXX als Einzelrichterin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2016 am 25.11.2016 für Recht erkannt:

 

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.500,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.04.2016 zu zahlen.

 

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von der Gebührenforderung ihrer prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte in Höhe von 393,90 Euro freizustellen.

 

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

4. Die Klägerin trägt 55%, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 45% der Kosten des Rechtsstreits.

 

Beschluss:

 

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin, ein Online-Versandhandelshaus, vertreibt in ihrem Onlineshop u.a. Produkte der Fa. XXX GmbH mit Sitz in XXX, die der Klägerin ihre professionell hergestellten Produktfotos zur Verfügung stellt. Die Übertragung der Bildrechte erfolgt durch die Fa. XXX GmbH an die Klägerin als einfaches Nutzungsrecht und beinhaltet das Recht zur Geltendmachung von Rechtsverletzungen (vgl. Bestätigung vom 01.03.2015, Anlage K1).

 

Die Beklagten haben im Oktober 2015 durch das Veröffentlichen und öffentliche Zugänglichmachen von 5 Produktfotografien, die sie in ebay-Auktionen (Screenshots als Anlagenkonvolut K2, BI. 4 d. Klageschrift) verwendet haben, die Bildrechte der Klägerin verletzt. Nach erfolgter Abmahnung mit Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2015 (Anlage K3, dem eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung beigefügt war), ließen die Beklagten mit Schreiben ihres beauftragten Bevollmächtigten vom 16.11.2015 (Anlage K4) eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit nachfolgendem Wortlaut abgeben:

 

„Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne jedes Präjudiz aber gleichwohl rechtsverbindlich erkläre ich namens und in Vollmacht der XXXX sowie der Gesellschafterinnen Frau XXX und Frau XXX persönlich, dass sich diese ihrer Mandantschaft gegenüber verpflichten, es künftig bei Meldung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung in einer Höhe, die von ihrer Mandantschaft nach billigem Ermessen festgesetzt wird, die jedoch im Streitfall hinsichtlich ihrer Billigkeit vom zuständigen Gericht überprüft werden kann,

 

es zu unterlassen,

 

die in der Anlage 2 zu Ihrer Abmahnung vom 28.10.2015 abgebildeten Lichtbilder und wiedergegebenen Texte zu vervielfältigen und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen.

 

Klarstellend: Davon ausgenommen werden sollen Zwischenspeicherungen von Internetseiten im sogenannten „Cache“, wie z.B., bei Suchmaschinen, bei Google, archive.org und ähnlichen Internetpräsenzen, welche einen Zustand aus der Vergangenheit widerspiegeln und auf die meine Mandantschaft keinen Einfluss hat.“

 

Im Januar 2016 haben die Beklagten durch eine erneute Veröffentlichung und öffentliche Zugänglichmachung von 3 der zuvor abgemahnten Produktfotografien die Bildrechte der Klägerin verletzt und damit gegen die Unterlassungsvereinbarung vom 16.11.2015 verstoßen (Screenshots der ebay-Auktionen vom 13.01.2016, Anlagenkonvolut K5). Wegen dieser Verstöße wurden die Beklagten mit Schreiben vom 20.01.2016 unter Beilegung des Anlagenkonvolutes 2 erneut abgemahnt und die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,- Euro sowie die Zahlung der angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 745,40 Euro gefordert (Schreiben Anlage K6). Dem kamen die Beklagten nicht nach.

 

Die Klägerin trägt vor, sie habe gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe aus der abgegebenen strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung in Höhe von insgesamt 10.000,- Euro. Die seitens des Bevollmächtigten der Beklagten erfolgte textliche Klarstellung und das Herausnehmen des Ausschlusses der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs stehe einer Annahme des mit Schreiben vom 28.10.2015 übersandten Angebotes der Klägerin nicht entgegen. Die Beklagte habe sich der Unterlassung für die Zukunft unterwerfen wollen und dies im Sinne der Klägerin auch getan. Die Klarstellung als Zusatz sei, da ein Anzeigen aus dem Zwischenspeicher keine Wiederholungshandlung sein könne, überflüssig gewesen. Im übrigen hätte es einer ausdrücklichen Annahme durch die Klägerin nicht bedurft.

 

Die Beklagten hätten schuldhaft gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen; das Verschulden werde gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die seitens der Beklagten behaupteten Kontrollhandlungen und Stichproben seien nicht schlüssig vorgetragen und werden bestritten. Ein Einstellen der Fotos durch unbekannte Dritte bei ebay sei nicht denkbar. Die Beklagten hätten den Nachweis, dass sämtliches streitgegenständliches Bildmaterial vor dem 13.01.2016 von allen Serverns gelöscht wurde, nicht erbracht. Wie der Screenshot vom 05.07.2016 (Anlage K8) zeige, böten die Beklagten den darin gezeigten Artikel „XXX Allesschneider“ weiterhin unter Nutzung des in der Klageschrift Seite 4 Ziff. 2 gezeigten Bildes zum Kauf an. Der Kauf könne nicht länger als 90 Tage vor dem 05.07.2016 getätigt worden sein. Die Höhe der geltend gemachten Vertragsstrafe von 10.000,- Euro sei angemessen, schon weil sich die Beklagten von der abgegebenen Unterlassungserklärung unbeeindruckt zeigten und weiterhin Fotografien ohne entsprechendes Nutzungsrecht für Online-Auktionen nutzen (Screenshots vom 05.07.2016, Anlagenkonvolut K9). Es läge ein 3-facher Verstoß gegen den Unterlassungsvertrag vor; die Beklagten haben sich „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ der Vertragsstrafe unterworfen. Die Klägerin habe bei der verlangten Höhe der Vertragsstrafe die Grenze der Billigkeit nicht überschritten, insbesondere bei Berücksichtigung der Vielzahl der insgesamt durch die Beklagten vorgenommenen Bildrechtsverletzungen und der Anzahl der weiteren, im vorliegenden Rechtsstreit indes nicht streitgegenständlichen, Verwendungen von Produktfotos durch die Beklagten in Verkaufsangeboten bei ebay (Anlage K10ff.).

 

Die Klägerin beantragt,

 

1. die Beklagte zu 1), die Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz per anno seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

 

2. die Beklagte zu 1), die Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von der Gebührenforderung ihrer prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte in Höhe von 725,40 Euro freizustellen.

 

Die Beklagten beantragen Klageabweisung.

 

Ein wirksamer Unterlassungsvertrag liege nicht vor, da die Beklagten am 16.11.2016 eine nicht mit der von der Klägerin vorformulierten Erklärung (Anlage K3) übereinstimmende strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hätten. Diese modifizierte Unterlassungserklärung sei von der Klägerin weder ausdrücklich noch konkludent angenommen worden, weshalb ein Unterlassungsvertrag nicht geschlossen worden sei. Das neue Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages hätte die Klägerin annehmen müssen; dies sei weder ausdrücklich noch konkludent geschehen. Darüber hinaus sei den Beklagten kein Verschulden vorzuwerfen. Sie hätten nach Abgabe der Unterlassungserklärung stets genau darauf geachtet, das Bildmaterial der Klägerin nicht wieder zu verwenden und in den ersten Wochen jeden neueingestellten Artikel, danach im Rahmen von Stichproben, kontrolliert.

 

Selbst wenn ein wirksamer Unterlassungsvertrag und ein Verschulden der Beklagten vorliegen sollten, wäre die geforderte Vertragsstrafe von 10.000,- Euro zu hoch angesetzt.

 

Es sei zu berücksichtigen, dass es sich um jeweils einen ersten Verstoß handele. 500,- Euro wären absolut ausreichend, um die Beklagten von weiteren Zuwiderhandlungen abzuhalten, und die Strafe läge damit um ein Vielfaches über dem vermutlichen Gewinn durch den Verkauf des mit dem Bildmaterial der Klägerin beworbenen Produkts. Ein mögliches Fehlverhalten der Beklagten habe die Bagatellschwelle nahezu unterschritten.

 

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst vorgelegten Anlagen sowie auf die Protokollniederschrift vom 06.10.2016 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

 

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Vertragsstrafe in Höhe von 4.500,- Euro sowie ein Freistellungsanspruch von der Gebührenforderung der klägerischen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 393,90 Euro zu.

 

1. Anspruchsgrundlage für den Vertragsstrafenanspruch ist der Unterlassungsvertrag mit dem Inhalt der Unterlassungserklärung der Beklagten vom 16.11.2015 (Anlage K4, Zitat wie oben). Die strafbewehrte Unterlassungserklärung ist von der Klägerin angenommen worden. Sie hat sie nicht etwa für unzureichend erklärt, weil die Formulierung „unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs“ beklagtenseits gestrichen worden war und eine Klarstellung dahin, dass Zwischenspeicherungen von Internetseiten im sogenannten „cache“ ausgenommen werden sollten, erfolgte. Die „Klarstellung“ ist dabei ohnehin nicht als Einschränkung der Unterlassungsverpflichtung zu verstehen, da diese erst ab dem Erklärungszeitpunkt wirksam wird und vorhergehende Zuwiderhandlungen nicht erfasst. Auch die Herausnahme der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs würde, wollte man darin Änderungen der klägerseits formulierten Unterlassungserklärung sehen, nicht dazu führen, dass ein geändertes Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsbetrages vorliegen würde, so dass eine explizite Annahme der Klägerin erfordern würde. Auch bei der (beibehaltenen) Formulierung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ kann nach der Rechtsprechung eine Auslegung geboten sei, wonach mehrere zeitlich nah beieinander liegende Verstöße als eine einzige Zuwiderhandlung (und damit Annahme des Fortsetzungszusammenhangs) angesehen werden (LG Frankfurt, 2-06 0 344/15). Nach der Verkehrssitte wäre zu erwarten gewesen (§ 151 S. 1 BGB), dass die Klägerin die abgegebene Unterlassungserklärung der Beklagten für unzureichend erklärt hätte, wenn ihrem Unterlassungsbegehren nicht genügt worden wäre. Das war aber unstreitig nicht der Fall. Der Schuldner muss stets damit rechnen, dass der Gläubiger das Angebot angenommen hat (OLG Dresden, Urteil vom 28.06.2016, 14 U 1997/15 unter Hinweis auf § 151 S. 1 BGB).

 

2. Die Beklagten haben gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung verstoßen, da sie die darin genannten drei Produktfotografien der Klägerin wiederum veröffentlicht und öffentlich zugänglich gemacht hat (Screenshot der ebay-Auktionen vom 13.01.2016, Anlagenkonvolut K5).

 

Die Verwirkung der Vertragsstrafe setzt Verschulden bei der erneuten Begehung der Verletzungshandlung voraus. Die beklagtenseits behaupteten Kontrollhandlungen und Stichproben sind, wenn sie das eigene Handeln der Beklagten betreffen, schon nicht plausibel. Im Übrigen fehlt eine Erklärung dafür, wie die streitgegenständlichen Auktionen bei ebay wieder eingestellt worden sein sollen, wenn nicht aufgrund einer Entscheidung und Handlung der Beklagten. Insoweit wird das Verschulden des Schuldners vermutet, so dass er sich entlasten muss. Sollte ein schuldhaftes Verhalten eines Erfüllungsgehilfen vorliegen (hierzu wurde allerdings nicht vorgetragen) würden die Beklagten auch hierfür haften. Nach Unterzeichnen der Unterlassungserklärung oblagen ihr entsprechende Kontrollpflichten, deren mangelhafte Erfüllung sie aus Eigenverschulden zu vertreten haben.

 

3. Gemäß § 315 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 BGB beträgt die nach billigem Ermessen festzusetzende Höhe der Vertragsstrafe pro eingestellten Produktfoto 1.500,- Euro, insgesamt 4.500,- Euro. Hat ein Unterlassungsgläubiger – wie vorliegend die Klägerin – nach der von der Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung das Recht, im Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung die Höhe der Vertragsstrafe nach sogenanntem Neuem Hamburger Brauch nach billigem Ermessen festzusetzen, so ist die getroffene Bestimmung verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2015, 4 U 191/14). Die Bestimmung, für die der Gläubiger/ der Klägerin ein Ermessenspielraum zusteht, ist erst dann durch gerichtliches Urteil zu ersetzen, wenn die mit dem Hinweis auf die Billigkeit durch § 315 Abs. 3 BGB gezogene Grenze überschritten wird (OLG Karlsruhe , a.a.O.; BGH GRUR 1990, 1051 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze). Im Rahmen des § 315 Abs. 3 BGB besteht damit nur ein beschränktes Kontrollrecht und kein Nachbesserungsrecht dahingehend, die Ermessensentscheidung des primär Bestimmungsberechtigten durch eine eigene, für besser und billiger gehaltene zu ersetzen.

 

Bei dem anzulegenden Maßstab im Rahmen der zulässigen Billigkeitskontrolle ist zu berücksichtigen, dass Unterwerfungserklärungen neben der Schadenspauschalierung in Bezug auf künftige Rechtsverletzungen auch und vor allem dazu dienen, den Unterlassungsschuldner zur Einhaltung der von ihm versprochenen Unterlassungsverpflichtung anzuhalten. Bei der Schätzung, wie hoch eine Vertragsstrafe im Einzelfall bemessen sein muss, um dieses Ziel zu erreichen, ist auf die Schwere und das Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung, deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, das Verschulden des Verletzers, sowie auf Art und Größe des Unternehmens des Schuldners einschließlich seiner eigenen Interessen an weiteren gleichartigen Begehungshandlungen abzustellen (BGH, Urteil vom 30.09.1993, Az.: I ZR 54/91).

 

4. Vorliegend führt eine Kontrolle der klägerseits festgesetzten Vertragsstrafe anhand der genannten Parameter dazu, dass diese in einer über einen Betrag von 1500,00€ pro Bild hinausgehenden Höhe nicht mehr der Billigkeit entspricht und die Grenze des der Klägerin eingeräumten Ermessens überschritten wurde. Dabei wird berücksichtigt, dass die Beklagten noch bei weiteren, im nachgelassenen Schriftsatz vom 07.11.2016 nebst vorgelegten Anlagen K10 – K29 vorgelegten Fotos und Screenshots gegen Nutzungsrechte der Klägerin verstoßen hat. Auch im Januar 2016 wurden weitere Produktfotos bei ebay eingestellt (Screenshots Anlagen K30 – K 35); diese hier nicht rechtshängigen Fotos bilden den Gegenstand eines anderweitigen Rechtsstreits vor dem Landgericht Flensburg. Sie belegen für das hier streitige Verfahren zugleich die wiederholten Verstöße gegen das Urhebergesetz (§§ 15, 16, 19a UrhG) und gegen die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Die Beklagte hat sich, wie die dokumentierten weiteren Verstöße vom Januar 2016 (und weitere, Anl. K8, K9) zeigen, auch durch die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung nicht vom Begehen identischer Rechtsverletzungen abhalten lassen. Ob die Maßnahmen, die die Beklagten zur Verhinderung weiterer Urheberrechts- und Wettbewerbsverstöße durch Veröffentlichen der streitgegenständlichen Fotografien behauptet haben, tatsächlich durchgeführt worden sind, kann dahinstehen. In jeden Fall waren sie zur Verhinderung weiterer Wettbewerbsverstöße nach Erhalt der ersten Abmahnung offensichtlich nicht ausreichend. Die Zuwiderhandlung war in ihrem Umfang auch von einer beachtlichen Gefährdung für die Klägerin, da die Produktfotos mit dem Einstellen auf Ebay einem großen Kreis an Interessenten zugänglich waren und der Klägerin hierdurch ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden drohte. Im Hinblick auf den vorzuwerfenden Verschuldensgrad müssen sich die Beklagten jedenfalls den Vorwurf gefallen lassen, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in nicht unerheblichem Maße außer Acht gelassen zu haben. Dass sie wirksam dafür Sorge getragen hätten, die Produktfotos der Klägerin dauerhaft von einer Darstellung in ihren ebay-Aktionen auszunehmen, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Für eine über die vom Gericht für billig erachtete Vertragsstrafe von insgesamt 4.500,- Euro hinausgehende Vertragsstrafe von insgesamt 10.000,- Euro würde es eines vorsätzlichen Verschuldensvorwurfs bedürfen, der sich den Gesamtumständen, auch unter Berücksichtigung der weiteren sechs Fälle aus dem Januar 2016, nicht entnehmen lässt, zumal einzelne Fotografien entfernt worden sind. Für die drei hier streitgegenständlichen Produktfotos kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin durch die Zuwiderhandlungen der Beklagten sehr hohe Umsatzeinbußen entstanden sind oder drohten; hierzu ist klägerseits auch nichts vorgetragen worden. Das Gericht hält bereits die ausgeurteilte Vertragsstrafe von 4.500,- Euro für im oberen Bereich der Angemessenheit liegend und auch ausreichend, um die Beklagten von künftigen Verstößen der in der Unterlassungserklärung formulierten Art abzuhalten und einen klägerseits durch die Verstöße entstandenen Schaden pauschal abzugelten.

 

5. Die Erstattungsfähigkeit der Abmahngebühren des Klägervertreters folgt aus §§ 677, 683, 670 BGB, wobei die Kosten nur aus einem Streitwert von 4.500,- Euro mit einem Gebührensatz von 1,3 gem. 2300 VVRVG, somit 393,90 Euro, zu berechnen sind. Da die Klägerin in ihrem Freistellungsantrag – Klagantrag Ziff. 2) – die Kostenpauschale von 20,00 € nicht geltend gemacht hat, wird ihr diese auch mit der Gebührenforderung aus dem geringeren Streitwert nicht zugesprochen.

 

6. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO, §§ 286 ff. BGB.

 

Filesharing Sieg: Landgericht Hamburg weist Berufung der LFP Video Group LLC, vertreten durch Negele Zimmel Greuter Beller Rechtsanwälte zurück

Viele behaupten immer wieder, dass man im Falle einer Filesharing Klage sowieso keine Chance hätte zu gewinnen. Als Abgemahnter sei man regelrecht gegen die Macht der Abmahnindustrie chanchenlos. Den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast könne man quasi unmöglich nachkommen.

 

Ich sage dazu: „Quatsch, man kann gewinnen. Man muss nur wissen, wie!„. Das nachfolgende Urteil des Landgericht Hamburg freut nicht nur mich, sondern natürlich auch meinen Mandanten, da er die Klage wegen Filesharing durch meine Unterstützung gewonnen hat.

 

Die Einzelheiten:

Landgericht Hamburg

 

Az.: 310 S 31/14

 

36a 0114/14

 

AG Hamburg

 

 

Urteil

 

im Namen des Volkes

 

In der Berufungssache

 

XXX

 

– Klägerin und Berufungsklägerin –

 

Prozessbevollmächtigte:

 

XXXX

 

gegen

 

XXXX

 

– Beklagter und Berufungsbeklagter –

 

Prozessbevollmächtigter:

 

Rechtsanwalt Andreas Gerste!, Grabenstraße 63, 48268 Greven, Gz.: XXX

 

erkennt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 10 – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX, den Richter am Landgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2015 für Recht:

 

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 31.10.2014 (Az.: 36a C 114/14) wird zurückgewiesen.

 

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklag­ten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags ab­wenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe:

 

I.

 

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 I Nr. 1 ZPO Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 31.10.2014 (BI. 142 ff. d.A.).

 

Die Klägerin/Berufungsklägerin beantragt,

 

unter Abänderung des am 31.10.2014 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Ham­burg, Az.: 36a C 114/14, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.151,80 Eur zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

 

Der Beklagte/Berufungsbeklagte beantragt,

 

                                        die Berufung zurückzuweisen.

 

1. Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung vom 12.11.2012 (Anlage K6) in Höhe von 651,80 Eur, noch auf Schadensersatz in Höhe von 500 Eur.

 

2. Es fehlt es an einer Verantwortlichkeit des Beklagten für die geltend gemachte Rechtsverletzung. Die Klägerin ist den Beweis der Begehung der Urheberechtsverletzung durch den Beklagten fällig geblieben.

 

a) Die Klägerin trägt nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberechtsverletzung als Täter verantwortlich ist. Dazu kann sich die Klägerin im Ausgangspunkt auf eine tatsächliche Vermutung stützen. Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht nach der Rechtsprechung des BGH eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, Urt. v. 15.11.2012 — I ZR 74/12 — Morpheus — GRUR 2013, 511 Rz 33). Diese tatsächliche Vermutung ist jedoch nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen den Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war, so dass er von Dritten genutzt werden konnte, oder wenn der Anschluss bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (vgl. BGH, Urt. v. 8.1.2014— I ZR 169/12 BearShare – GRUR 2014, 657 Rz 15). Will der Inhaber des Internetanschlusses die gegen ihn sprechende tatsächliche Vermutung entkräften, so trifft ihn allerdings eine sekundäre Darlegungslast. Der BGH hat im Urteil vom 8.1.2014 — I ZR 169/12 – BearShare – GRUR 2014, 657 Rz 18 zum Inhalt der sekundären Darlegungslast ausgeführt:

 

„Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 I und II ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (…). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (…)“.

 

b) Der Beklagte ist der vorstehend beschriebenen sekundären Darlegungslast nachgekommen und hat die ernsthafte Möglichkeit der Täterschaft zweier im Haushalt lebender Familienmitglieder ausreichend substantiiert geltend gemacht.

 

aa) Der Beklagte hat allerdings nicht geltend gemacht, dass seine Ehefrau als Täterin in Betracht komme. In der mündlichen Verhandlung am 24.9.2014 hat der Beklagte mitgeteilt, dass er ausschließe, dass seine Frau die Rechtsverletzung begangen habe. Er glaube nicht, dass sie das dafür nötige Verständnis besitze.

 

Es ist insofern unschädlich, dass der Beklagte nach seinem Vortrag seine Ehefrau nicht befragt hat. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des BGH hat der Anschlussinhaber anzugeben „…welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen“. Wenn der Beklagte aber gar nicht vorträgt, dass seine Ehefrau als Täterin der Rechtsverletzung in Betracht komme, sondern dies vorliegend sogar ausdrücklich ausschließt, so macht er insofern gerade keine mögliche Täterschaft eines anderen geltend, trägt also gerade keine Tatsachen vor, die gegen die tatsächliche Vermutung sprechen sollen. Dann aber kommt es auch nicht darauf an, auf welcher Grundlage dieser Tatsachenvortrag erfolgt. Vielmehr ist dieser Ausschluss einer Täterschaft der Ehefrau schon als solcher für die Klägerin günstig, denn auch sie behauptet vorliegend keine Täterschaft der Ehefrau. Damit erleichtert die diesbezügliche Einlassung des Beklagten der Klägerin die Beweisführung und bedarf daher keiner weiteren Substantiierung durch den Beklagten.

 

Andererseits ist der Beklagte nicht gehindert, die mögliche Täterschaft anderer im Haushalt lebender Personen geltend zu machen. Auch dazu bedarf es keiner Befragung der Ehefrau nach ihrer möglichen Täterschaft. Vielmehr genügt es, wenn der Kläger, soweit er die Täterschaft anderer (hier eines seiner Söhne) geltend machen will, (nur) insofern seiner sekundären Darlegungslast genügt.

 

bb) Der Beklagte hat aber in ausreichend substantiierter Form eine mögliche Täterschaft seiner beiden Söhne geltend gemacht. Es ist unstreitig, dass der Beklagte zum Verletzungszeitpunkt mit seiner Ehefrau und seinen Söhnen, die zu dieser Zeit 20 und 17 Jahre alt waren, in dem Haushalt zusammenlebte, in dem sich auch der auf den Beklagten angemeldete Internetanschluss befindet. Der Beklagte hat bestritten, die Rechtsverletzung begangen zu haben. Er hat weiter vorgetragen, dass seine Söhne Zugriff auf den Internetanschluss hatten.

 

Der Beklagte hat eine möglich Täterschaft seiner Söhne nicht in ihn nach §§ 288, 290 ZPO bindender Weise ausgeschlossen. Allerdings hat der Beklagte in seiner Klagerwiderung vom 05.05.2014 zunächst schriftsätzlich vortragen lassen, (S. 2 = BI. 56 d.A.) er habe drei Söhne,

 

von denen zwei zur Tatzeit im Haushalt gelebt hätten, und sodann (S. 3 = Bl. 57 d.A.) wörtlich: „Denkbare wäre es allenfalls, dass einer der Söhne die Tat begangen haben [sic!]. Dies wird jedoch ausdrücklich bestritten“. Es kann offen bleiben, ob diese Erklärung dahin zu bewerten wäre, dass der Beklagte eine Täterschaft seiner Söhne genauso wie (später) diejenige der Ehefrau ausschließen wollte. Denn jedenfalls bindet die Erklärung den Beklagten nicht nach § 288 ZPO. Nach dieser Vorschrift muss ein Geständnis „bei einer mündlichen Verhandlung“ erklärt werden. Das kann auch durch eine (i.d.R. in der Antragstellung zum Ausdruck kommende) stillschweigende Bezugnahme auf schriftsätzliches Vorbringen geschehen. Von einer solchen Bezugnahme kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn der Prozessbevollmächtigte der Partei bei der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe keine genaue Kenntnis über die schriftsätzlich vorgetragenen Tatsachen und das Gericht daraufhin die Auflage erteilt, zu diesen Tatsachen näher vorzutragen. So aber liegt der Fall hier: In dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.05.2014 war für den Beklagten nur ein unterbevollmächtigter Rechtsanwalt anwesend, der auf Nachfrage des Gerichts erklärte, er habe keine Kenntnis darüber, ob der Beklagte zwei oder drei Söhne habe, woraufhin das Gericht den Hinweis erteilte, es bedürfe auf Beklagtenseite nun zunächst einer „Klarstellung, wie viele Söhne der Beklagte hat bzw. wie viele dort im Haushalt gelebt haben“, ferner zur Frage etwaiger Belehrungen und zur Frage, ob der Beklagte die zugriffsberechtigten Familienmitglieder nach den Rechtsverletzungen befragt hätte (Protokoll S. 2-3 = BI. 67-68 d.A.). Vor diesem Hintergrund kann die nachfolgende Stellung des Klagabweisungsantrags seitens des unterbevollmächtigten Beklagtenvertreters nicht als konkludente Inbezugnahme der oben zitierten Aussage aus der Klagerwiderung gewertet werden.

 

In der Folge ist die oben zitierte Passage aus der Klagerwiderung vom Beklagten nicht mehr bei einer mündlichen Verhandlung in Bezug genommen worden. Vielmehr war im nächsten Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.09.2014 der Beklagte persönlich anwesend. Dort hat er laut Protokoll (S. 3 = Bl. 110 d.A.) erklärt, seine Söhne hätten zur Zeit der Rechtsverletzung jeweils ein Notebook, ein iPhone und auch je einen stationären PC gehabt, sowie: „Meine Söhne habe ich gefragt, und die sagen, sie seien es nicht gewesen. Ich kann mich nur auf ihr Wort verlassen. Ich weiß sicher, dass ich es selbst nicht war.“

 

Mit dieser Einlassung hat der Beklagte eine mögliche Täterschaft seiner Söhne geltend gemacht und gerade nicht ausgeschlossen. Dass der Anschlussinhaber die Täterschaft des im Haushalt lebenden Familienmitglieds auch selbst ausschließt und dies auch als Parteivortrag im Prozess geltend machen will, ist nur anzunehmen, wenn der Anschlussinhaber sich nicht darauf beschränkt, die verneinenden Auskünfte seiner Familienmitglieder wiederzugeben, sondern sich diese prozessual zu eigen macht oder (wie vorliegend bzgl. der Ehefrau) von sich aus behauptet, dass das Familienmitglied die Rechtsverletzung nicht begangen habe. Ein solcher Fall liegt hier aber bzgl. der Söhne des Beklagten nicht vor. Mit der oben zitierten Äußerung aus dem Termin vom 24.09.2014, auf die allein abzustellen ist, hat der Beklagte hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass seine Söhne ihm gegenüber eine Täterschaft zwar bestritten hätten, dass er sich diese Aussage aber im Rahmen des vorliegenden Pro­zesses nicht zu eigen machen wolle. Denn seine Äußerung „Ich kann mich nur auf ihr Wort verlassen.“ bringt zum Ausdruck, dass er seinen Söhnen zwar generell vertraue, die Rich­tigkeit ihrer Angaben vorliegend aber nicht habe überprüfen können. In diesem Kontext kann der dann folgende Zusatz: „Ich weiß sicher, dass ich es selbst nicht war.“, aber nur noch da­hin verstanden werden, dass der Beklagte zum Zwecke des Vortrags im Prozess zwar seine eigene Täterschaft, nicht aber diejenige seiner Söhne ausschließen wolle.

 

Weiterer Vortrag war zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast nicht erforderlich. Der Beklagte war mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht verpflichtet, die Richtigkeit der An­gaben seiner Söhne zu überprüfen. Denn nach der ausdrücklichen Klarstellung des BGH (s.o.) führt die sekundäre Darlegungslast nicht zu einer Umkehr der Beweislast und beinhal­tet gerade keine Verpflichtung des Anschlussinhabers, „dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.“ Insbesondere war es nicht erforder­lich, stundengenau darüber Auskunft zu geben, wer zu welchen Zeitpunkten den Internetan­schluss tatsächlich genutzt hat. Dieses würde nach Ansicht des OLG Hamburg, welcher die Kammer folgt, eine Überspannung der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast bedeuten (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 2.2.2015, Az. 5 VV 47/13). Soweit die Klägerin meint, dass der Beklagte auf dem Rechner des seinerzeit minderjährigen Sohns nach dem Film hätte suchen müssen, um den Sohn vor der Straftat der Verbreitung pornografischer Schrif­ten zu bewahren, greift das hier nicht. Zwar kommt in Betracht, dass Eltern verpflichtet sind, ihre (minderjährigen) Kinder vor der Begehung der Straftat des Verbreitens pornografischer Schriften (§§ 184 ff. StGB) zu bewahren. Das bedarf hier aber keiner Entscheidung. Denn diese etwaige sorgerechtliche Pflicht führt nicht zu einer Erweiterung der hier in Rede ste­henden sekundären Darlegungslast.

 

e) Nachdem der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, war es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten spre­chenden Umstände darzulegen und nachzuweisen. Die Klägerin hätte Beweis für eine Täter­schaft des Beklagten antreten können, indem sie die Söhne als Zeugen dafür benennt, dass diese die Rechtsverletzung nicht begangen haben. Denn dann bliebe nur der Beklagte als Täter. Die Klägerin hat jedoch keinen solchen Beweis angetreten.

 

f) Der Beklagte haftet auch nicht als Störer.

 

aa) Gegenüber der Ehefrau und dem erwachsenen Sohn trafen den Beklagten keine Kontrollpflichten. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Inhaber eines Internetanschlusses „grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen“ (vgl. BGH Urt. v. 8.1.2014 — I ZR 169/12 — BearShare — GRUR 2014, 657 Rz 24).

 

bb) Es kann offen bleiben, ob der Beklagte den seinerzeit minderjährigen Sohn hinreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt und ihm eine Teilnahme daran verboten hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 15. 11. 2012-1 ZR 74/12 – Morpheus – GRUR 2013, 511 Rz 24, 42). Denn selbst wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, bestünde keine Störerhaftung des Beklagten. Diese ergäbe sich nur, wenn feststünde, dass der minderjährige Sohn die Rechtsverletzung beging. Denn anderenfalls wäre eine Prüf- bzw. Kontrollpflichtverletzung des Klägers nicht kausal für die Rechtsverletzung geworden. Das lässt sich hier jedoch nicht feststellen. Denn neben dem minderjährigen Sohn kommt auch der seinerzeit bereits volljährige Sohn des Beklagten als Täter in Betracht.

 

cc) Die Abmahnung der Klägervertreter vom 26.10.2012 gegenüber dem Beklagten konnte zum hier streitgegenständlichen Zeitpunkt der Rechtsverletzung am 22.10.2012 keine gesteigerten Kontrollpflichten des Beklagten begründen. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Abmahnung vor der hier streitgegenständlichen Rechtsverletzung zuging, was hier nicht der Fall war.

 

3. Nach dem Vorstehenden hat die Klägerin weder einen Anspruch auf Schadensersatz, noch auf Erstattung von Abmahnungskosten gegen den Kläger.

 

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

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3 Wettbewerbsverstöße: 1.500 EUR Streitwert, Beschluss Landgericht Koblenz (AZ: 4 HK O 4/16)

Privatanbieter bei eBay erhalten immer wieder Abmahnungen, wenn die Verkaufstätigkeit einen gewerblichen Umfang erreicht hat. Die Abgrenzung zwischen privat und gewerblich ist abhängig vom Einzelfall. Die Abmahnkosten hängen vom zugrunde gelegten Streitwert ab. Die Streitwert sind nicht einheitlich geregelt. Zwischen 1.500 EUR und 30.000 EUR pendeln die Streitwerte. Je höher der Streitwert, umso teurer die Abmahnung.

 

Aus Praktikersicht ist es immer ratsam, sich außergerichtlich zu einigen und über die Abmahnkosten zu verhandeln. Wichtig ist es aber zu wissen, dass der Abmahner bundesweit die Abmahnkosten einklagen könnte, weil es um im Internet begangene Verletzungshandlungen geht. Und der Abmahnanwalt wird zu dem Gericht gehen, welches den höchsten Gegenstandswert für angemessen hält.

 

Es macht daher keinen Sinn, dem Abmahner z.B. nur diese Entscheidung des LG Koblenz vorzuhalten und danach die Abmahnkosten zu erstatten. In Koblenz wird ihr Abmahner dann gewiss nicht die Abmahnkosten bzw. die rechtlichen Abmahnkosten einklagen. Rechtlich geht das. Immer wieder höre ich: „Das ist doch nicht gerecht.“

 

Ich kann Sie durchaus verstehen, jedoch haben Sie nichts davon, wenn ich Ihnen sage, was Sie hören wollen.

AZ: 4 HK O 4/16

 

Landgericht Koblenz

 

Beschluss

 

In dem Rechtsstreit

 

XXX – Antragsteller –

 

Prozessbevollmächtigter: XXX

 

gegen

 

XXX – Antragsgegner –

 

wegen unlauteren Wettbewerbs

 

hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz durch den Vizepräsidenten des Landgerichts XXX am 12.01.2016 ohne mündliche Verhandlung wegen Dringlichkeit gemäß § 937 Abs. 2 ZPO beschlossen:

 

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird angeordnet:

 

1. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, es – wie am 10.12.2015 in seinem Angebot zu der ebay-Artikelnummer XXX (Anlage AS1) geschehen – zu unterlassen, auf der Internetplattform „ebay“ Handel zu betreiben, ohne darauf hinzuweisen, dass er diesen Handel gewerbsmäßig betreibt, ohne seine Angebote mit einer Widerrufsbelehrung nach Maßgabe des Art. 246a EGBGB zu versehen und ohne die Mehrwertsteuer separat auszuweisen.

 

2. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Antragsgegner die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 4.000,00 € und für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht.

 

3. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last.

 

4. Der Streitwert wird auf 1.500,00 € festgesetzt.

 

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Bild Abmahnung – Vertragsstrafe – öffentliches Zugänglichmachen

Gegenstand von Abmahnungen sind immer wieder Urheberrechtsverletzungen an z.B. Lichtbildern oder Grafiken. Betroffene geben leider häufig ohne anwaltlichen Rat strafbewehrte Unterlassungserklärungen ab und kommen dann er zu mir, wenn der Abmahner eine Vertragsstrafe fordert.

Vorsicht vor vorformulierten Unterlassungserklärungen

Unterschreiben Sie eine Unterlassungserklärung niemals ungeprüft. Lassen Sie sich immer am besten von einem spezialisierten Anwalt wie mir eine geeignete Unterlassungserklärung erstellen, die nur auf das aller Nötigste beschränkt ist und nicht zu weit geht. Das Gefährlichste an der Sache ist immer die geforderte Unterlassungserklärung. Es kommt ein Unterlassungsvertrag zustande, an welchen Sie Ihr Leben lang gebunden sind. Daher sollte man bei der Formulierung ganz besonders vorsichtig sein.

 

Natürlich spielen auch die Kosten eine große Rolle, aber dennoch sollten Sie auf keinen Fall eine vom Abmahner beigefügte Erklärung einfach unterschreiben.

 

Geht es um Bilder, dann sollten Sie sich in der Regel strafbewehrt dazu verpflichten, es zu unterlassen, Bild xy ohne Zustimmung des Abmahners öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen.

 

Sie haben spätestens dann ein großes neues Problem, wenn das Bild oder die Grafik nach Abgabe einer Unterlassungserklärung noch öffentlich zugänglich ist. Ich möchte Ihnen an einem Beispiel verdeutlichen, was ich genau meine:

 

Auf dieser Website ist oben links mein Logo abgebildet, nämlich dieses:

 

 

Dieses Logo dürften Sie nur mit meiner ausdrücklichen Zustimmung verwenden. Das Logo ist zudem eine beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragene Wort-Bildmarke. Sie würden daher nicht nur eine Urheberrechtsverletzung begehen, sondern auch noch meine Markenrechte verletzen. Um dieses Logo von meiner Internetseite zu entfernen müsste ich einfach nur die Einbindung löschen.

 

Damit das Logo aber auch nicht mehr öffentlich zugänglich ist, müsste ich zusätzlich auch die Bilddatei vom Server löschen.

 

Woher weiß ich, wo sich das Bild genau auf dem Server befindet?

Das können Sie ganz leicht herausfinden. Je nach benutzen Browser gehen Sie wie folgt vor:

 

Sie nutzen als Browser Mozilla Firefox

 

Klicken Sie mit der rechten Maustaste auf die Grafik. Es erscheint dieses Fenster:

 

 

Klicken Sie auf Grafik-Info anzeigen und Sie sehen dies:

 

 

Der Pfad des Bildes / Logos lautet:

 

http://www.anwaltblog24.de/wp-content/uploads/2015/05/kanzlei_gerstel_logo.png

 

Sie müssten jetzt die Bilddatei aus exakt diesem Pfad löschen.

 

Sie nutzen den Internet Explorer:

 

Auch hier mit der rechten Maustaste auf die Grafik klicken, um dies zu sehen:

 

 

Dann auf „Eigenschaften“ klicken und siehe da, es wird Ihnen der Pfad angezeigt:

 

 

Sie verwenden als Browser Opera:

 

Rechte Maustaste drücken und dann auf „Bild im neuen Tab öffnen„:

 

 

Im neuen Tab (Fenster) wird Ihnen dann der Pfad angezeigt.

 

Wann liegt ein öffentliches Zugänglichmachen vor?

Ist das Bild / Logo nach Abgabe einer Unterlassungserklärung noch öffentlich zugänglich, so droht eine neue Abmahnung und eine Vertragsstrafe! Öffentlich zugänglich wäre das Bild / Logo dann, wenn es über den Pfad noch abrufbar wäre.

 

Ist Ihnen das klar?

 

Auch wenn das Bild / Logo nicht mehr auf der Website sichtbar ist, so ist es dennoch solange über den Pfad erreichbar, bis Sie die Bilddatei vom Server unwiderruflich gelöscht haben! Löschen Sie die Bilddatei nicht vom Server, dann muss man nur den Pfad im Browser eingeben und schon ist das Bild / Logo zu sehen. Und genau dies würde ein öffentliches Zugänglich machen im Sinne von § 19a UrhG darstellen.

 

Sollten auch Sie betroffen sein, oder Fragen dazu haben, melden Sie sich gerne bei mir.

Gerichtsentscheidungen zum öffentlichen Zugänglichmachen

OLG Hamburg, Urteil vom 08.02.2010, 5 W 5/10:

 

„Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, reicht die abstrakte Möglichkeit der Erreichbarkeit durch Eingabe der URL für § 19a UrhG aus. Diese Bestimmung setzt lediglich voraus, dass Dritten der Zugriff auf das betreffende Werk faktisch eröffnet wird ( Senat GRUR-RR 2008,383 ). Eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass ein tatsächlicher Zugriff realistisch ist, wird nicht verlangt und kann entgegen der Auffassung des LG Berlin (  GRUR-RR 2008, 387) auch nicht aus § I5 Abs.3 UrhG gefolgert werden. Zwar heißt es dort für alle Formen der öffentlichen Wiedergabe – wozu nach  § 15 Abs.2 Nr,2 UrhG auch das öffentliche Zugänglich machen nach § 19a UrhG gehört -, dass die Wiedergabe öffentlich sei wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt sei. Damit ist nicht der subjektive Wille des Werknutzers, sondern die objektive Bestimmung gemeint: eine nur zufällig entstehende Öffentlichkeit ist allerdings nicht erfasst (Dreier/Schulze. UrhR, 2. Aufl., § 15 Rn.46. Die Einrichtung einer URL um von jedem beliebigen Ort und zu jeder beliebigen Zeit einen Inhalt aufrufen zu können, der auf einem mit dem Internet verbundenen Server gespeichert ist, ist jedoch typischerweise und nach Funktionsweise des Internets objektiv dazu bestimmt, diesen Inhalt mit Hilfe eben dieser URI aufzufinden. Damit ist der Tatbestand des §19a UrhG bereits erfüllt“

 

LG Leipzig, Urteil vom 07.10.2009, 5 O 1508/08:

 

„Darüber hinaus hat der Beklagte die Grafiken auch öffentlich zugänglich gemacht (§ 19a UrhG) also zum interaktiven Abruf bereit gestellt (Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 19a Rz. 10). Dem OLG Hamburg (GRUR-RR 08 383,384) folgend kommt es dabei nicht auf ein (fehlendes) Interesse des Beklagten an der Zugänglichmachung an; vielmehr reicht eine Erreichbarkeit bereits per Direkteingabe der betreffenden URL aus. Dass hier die Grafik jedenfalls durch Direktangabe der Internetadresse http://www…jpg. zugänglich war, ist letztlich unstreitig.”

 

abweichend zunächst LG Berlin, Urteil vom 02.10.2007 (15 S 1107), dann aber Aufgabe der Rechtsansicht: Kammergericht Berlin, Urteil vom 13.03.2010, 15 0 609:

 

„(…) All dieser Ansicht hält die Kammer nach Überprüfung nicht fest. Vielmehr tritt sie der im Urteil vom 9. April 2008 im Verfahren mit dem Aktenzeichen 5 U 124/07 von dem Hanseatischen OLG Hamburg (GRUR-RR 2008, 383 = zum RD 2009, 72) vertretenen Auffassung bei (…)

 

Die Präzisierung oder Modifizierung der Rechtsauffassung der Kammer beruht nicht nur auf der überzeugenden, nunmehr von ihr geteilten Ansicht des OLG Hamburg sondern auch auf der Überlegung, dass es allgemeiner Ansicht bei der Frage nach einer Verletzung von Urheberrechten entspricht, dass es dem Nutzer eines möglicherweise urheberrechtlich geschützten Werkes obliegt, sich bei Vermeidung einer zumindest fahrlässigen Urheberrechtsverletzung Kenntnis darüber zu verschaffen, ob der jeweilige  Gegenstand der Nutzung einem Urheberrecht unterliegt. Wird aber von dem Nutzer eines Gegenstandes im Hinblick auf den nur die Möglichkeit urheberrechtlichen Schutzes zugunsten eines Dritten besteht, verlangt, dass er die entsprechenden zur Sicherung der berechtigten Belange des Urhebers erforderlichen Ermittlungen anzustellen hat, so kann es nicht angehen, dass derjenige, der von einer bestimmten, von ihm begangenen Urheberrechtsverletzung Kenntnis hat, und der sich zur Unterlassung weiterer Verletzungen verpflichtet hat, sich darauf beschränken darf nur den unmittelbarsten, üblichsten, nicht aber auch den direkten Weg zur unerlaubten Nutzung des geschützten Gegenstandes zu beseitigen. Vielmehr wird durch die Verletzung die Verpflichtung begründet, das verletzte Werk umfassend aus dem durch die Urheberrechtsverletzung in ihrer konkreten Form eröffneten Zugriffsbereich zu entfernen. Hierzu zählt es aber auch, das Werk von allen Servern, Verzeichnissen und aus allen Speichern, in denen es enthalten sein könnte, dauerhaft zu entfernen, weil sonst stets die Möglichkeit besteht, dass beispielsweise über ein backup das Werk wieder dem allgemeinen Zugriff über die jeweilige  lnternetseite ausgesetzt sein könnte, oder aber auch, wie vorliegend jedenfalls für Internet erfahrene Sucher vergleichsweise leicht anhand einer nahe liegenden URL abgerufen werden kann. Diese Bemessung des Umfangs der Pflichtigkeit erscheint umso mehr sachgerecht, als es der Verletzter ist, der entweder selbst oder über von ihm mit der Betreuung seines Internetauftritts beauftragte Dritte zuverlässige Kenntnis von den Orten hat oder haben kann, an denen das geschützte Werk als Datei abgelegt ist Zudem gilt dass damit den Intensionen der Enforcement-Richtlinie der Europäischen Union vom 29. April 2004 (2004/48EG genüge getan wird.“

 

Bundesgerichtshof (BGH) scheint diese Auffassung zu teilen: BGH, Urteil vom 29.04.2010, I ZR 69/08:

 

„Das dem Urheber nach § 15 Absa. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 UrhG vorbehaltene Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) ist das Recht, das Werk der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mit-gliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Ein Zugänglich machen im Sinne dieser Vorschrift setzt nur voraus, dass Dritten der Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindende geschützte Werk eröffnet wird“