Abmahnung IDO Rechtsmissbrauch?

Der IDO Verband hat durch seine vielen Abmahnungen in den letzten Jahren einen gewissen Grad an Bekanntheit erlangt. Ich habe hier zahlreiche Informationen über den IDO zusammengestellt. Immer wieder werde ich danach gefragt, ob die vielen Abmahnungen vom IDO nicht den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs erfüllen. Betroffene sprechen von Abzocke, Geldmacherei, gar kriminellen Strukturen? Die Landgerichte und auch Oberlandesgerichte hatten sich bundesweit mit den IDO Abmahnungen und der Frage der Aktivlegitimation zu befassen. Inzwischen gibt es mehrere Urteile, die einen Rechtsmissbrauch durch den IDO angenommen haben. Auf diese Urteile werde ich in diesem Beitrag einmal genauer eingehen.

LG Heilbronn, Urteil vom 20.12.2019, Az: 21 O 38/19 KFH (nicht rechtskr.)

Als erstes Gericht hat das Landgericht Heilbronn Rechtsmissbrauch des IDO angenommen, weil der IDO Verband seine eigenen Mitglieder verschone und diese nicht abmahne.

 

Ein Onlinehändler wurde zunächst vom IDO Verband wegen diverser angeblicher Wettbewerbsverstöße abgemahnt. Gegenstand der Abmahnung war unter anderem das Fehlen von Informationen über Garantiebedingungen. Der abgemahnte Händler erhob daraufhin negative Festellungsklage mit der Begründung, dass der IDO gar nicht berechtigt sei Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Der IDO Verband hatte dann als sogenannter Widerkläger gegen den Abgemahnten Klage auf Unterlassung erhoben.

 

Recherchen des Händlers haben ergeben, dass der IDO seine eigenen Mitglieder selbst gar nicht kontrolliert. Die eigenen IDO Mitglieder sind damit nicht der Gefahr einer Abmahnung ausgesetzt. Der IDO Verband hatte während des Verfahrens vor dem Landgericht Heilbronn mehrfach behauptet, auch seine eigenen Mitglieder zu kontrollieren und bei Zuwiderhandlungen dagegen vorzugehen. Im Rahmen der Beweisaufnahme stellte sich aber heraus, dass diese Behauptung unzutreffend war. Eine als Zeugin vernommene Mitarbeiterin des IDO musste einräumen, dass eine systematische Kontrolle gar nicht stattfindet.

 

Wie hat sich der IDO geäußert?

Der IDO gab an, seine Mitglieder bereits seit 2011 über die Werbung mit Garantien zu informieren. Es habe ab Januar 2019 E-Mails mit Hinweisen auf die Notwendigkeit der rechtskonformen Garantieinformationen gegeben. Der Vortrag des IDO wird im Urteil wie folgt zitiert:

„Da die Thematik zunehmend auch im Internet bekannt geworden sei, sei es vereinzelt auch zu Beschwerden über Mitglieder bzw. Zwischenmitgliedern gekommen. Diese seien durch entsprechende Hinweise und Optimierung der Werbung erledigt worden. Zudem sei die einschlägige Rechtsfrage noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt, indes die Klärung anderwärts veranlasst.“

Eigene Mitglieder hat der IDO wegen einer angeblich falschen Information zur Herstellergarantie nicht abgemahnt. Im Tatbestand des Urteils heißt es:

„Er habe seine Mitglieder stichprobenartig überprüft und, was er ohnehin mache, auf erfolgreich auf die Beseitigung von Verstößen gedrängt. In wenigen Fällen habe er durch die Androhung von Abmahnungen / Klagen erreicht, dass die Verstöße beseitigt worden seien.“

Aufklärung der Gegebenheiten nicht möglich

Der Verfahrensbevollmächtigte des IDO war nicht in der Lage, zu den fraglichen Gegebenheiten Auskünfte zu erteilen und auch der Vorstand des IDO ist nicht zum Verhandlungstermin erscheinen.

„Die Widerklägervertreterin zeigte sich jedoch auf Nachfrage nicht in der Lage, zu den fraglichen Gegebenheiten auch nur rudimentär Auskunft zu erteilen und hat auf die Zeugin S. verwiesen, auf deren Aussage noch zurückzukommen sein wird. … Obwohl das Gericht in der Verfügung vom … das Bedürfnis um Aufklärung deutlich gemacht hat, ist der Vorstand des Widerklägers der Verhandlung somit fern geblieben, was nach Würdigung Zeichen für die Taktik einer mangelnden Transparenz ist.“

Verquickung familiärer und wirtschaftlicher Interessen beim IDO

Sind die Mitarbeiter beim IDO miteinander verwandt?

„Die gegebenen Verhältnisse deuten auf eine Verquickung familiärer und wirtschaftlicher Interessen im Bereich des Widerklägers hin. Es ist nicht ersichtlich, dass mit der Zeugin X eine freie Mitarbeiterin des Widerklägers – entsprechend des Hinweises der Prozessvertreterin des Widerklägers – umfassende Auskunft zu den angesprochenen Themen sollte erteilen können, wenn dies nicht mit einem familiären Kontext zu erklären sein solle – die Zeugin ist die Schwester der Vorstandsvorsitzenden des Widerklägers. Überhaupt ist nicht ersichtlich, warum die Zeugin unter den gegebenen Umständen „freie Mitarbeiterin“, also selbstständig und nicht abhängig beschäftigt sein könnte. Immerhin beläuft sich der Arbeitsumfang nach ihren Angaben auf mehr als 20 Stunde pro Woche bei Entlohnung nach geleisteten Stunden. Nach ihren Schilderungen in der Sache, nach denen sie letztlich keinen Entscheidungsspielraum hat und lediglich Hilfsdienste leistet, dürfte ein verschleiertes Arbeitsverhältnis vorliegen. Die Problematik hat die Zeugin offenbar erkannt, indem sie mit weitergehenden Angaben zu ihrer beruflichen Tätigkeit sehr zurückhaltend war. So hat sie ausgesagt, sie könne nicht „genau“ angeben, welcher Prozentsatz ihrer Einkünfte die Vergütung ausmache. Was an dieser Stelle eher die Frage zur Erlangung eines Überblickes über die berufliche Tätigkeit der Zeugin hatte dienen sollen, weshalb nicht weiter nachgefragt wurde, erweist sich in dem Kontext der weitergehenden Angaben als wichtige Erkenntnisquelle für die Einordnung der Rolle der Zeugin im Zusammenhang mit der Organisation des Widerklägers. Es liegt nahe, dass es bei der „Beauftragung“ der Zeugin um die Vermeidung eines „bösen Scheins“ mit Blick auf § 55 AO oder gar entsprechende Satzungsbestimmungen gehe. Motivation für die ungenauen Angaben ist es offenbar zu vermeiden, dass das Gericht sich ein umfassendes und zutreffendes Bild von der Tätigkeit der Zeugin und den wirtschaftlichen Zusammenhängen im Bereich des Widerklägers mache. Mit einem solchen Vorgehen wird indes das Gegenteil des intendierten erreicht: Es ergibt sich das Bild einer undefinierbaren Gemengelage von privaten und öffentlichen Interessen unter Gefährdung der Beachtung von Einschränkungen aufgrund satzungsmäßigen bzw. gesetzlichen Bindungen im Rahmen eines Idealvereins und Verbraucherverbandes, der Rechte gem. § 8 UWG geltend machen will.“

Einblicke in die innere Struktur des IDO sollten vermieden werden

„Nicht ersichtlich ist, warum gerade eine freie Mitarbeiterin, die nach ihren Angaben noch dazu lediglich Hilfsdienste leistet, prädestiniert sein sollte, zuverlässig Einblicke in sämtliche Angelegenheiten, einschließlich der wirtschaftlichen Gegebenheiten des Vereins zu geben bzw. diese als kompetente Zeugin zu vermitteln. Diese prozessuale Vorgehensweise spricht unter den gegebenen Umständen eher dafür, dass die Verschaffung eines Einblickes in die innere Struktur des Widerklägers durch „Außenstehende“, auch Beschäftigte des Vereins, möglichst vermieden werden soll.“

Hat sich die Zeugin mit dem IDO abgestimmt?

„Die Vorgehensweise der Zeugin erscheint als mit dem Widerkläger abgestimmt und als strukturell verfestigt, zumal das Vorbringen des Widerklägers und erkennbare Aussageintention der Zeugin auf einer Linie liegen. Dies zeigt sich in Ansehung des nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellenden Umstandes, dass der Widerkläger sein Vorgehen bei Wettbewerbsverstößen von Mitgliedern in wesentlichen Punkten falsch dargestellt hat und sich dies mit der Aussage der Zeugin fortsetzt.“

Hat der Ido im Verfahren falsch vorgetragen?

Ja, das bedeuten die Feststellungen im Tatbestand des Urteils. Das Gericht kam nach Anhörung der Zeugin X zu dieser Überzeugung.

„So hat der Widerkläger nicht allein behauptet, er weise seine Mitglieder auf Verstöße hin, sondern er setze eine Frist zur Beseitigung des jeweiligen Verstoßes bzw. nach fruchtlosem Fristablauf werde er auch gegen das Mitglied tätig, d. h. spreche Abmahnungen aus und setze seine Ansprüche auch gegen Mitglieder gerichtlich durch, seien es Unterlassungs- oder Vertragsstrafenansprüche. Diese Behauptungen sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unzutreffend. Der Widerkläger hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein gerichtliches Verfahren benennen können, dass einen Unterlassungsanspruch gegen ein Mitglied betraf. Der von ihm als Nachweis für gegen Mitglieder geführte Verfahren in Bezug genommenen Entscheidungen des Landgerichtes Mönchengladbach und Osnabrück betreffen ausweislich der Textauszüge Vertragsstrafenansprüche. Die ferner als Beleg für einen gegen ein Mitglied geltend gemachten Unterlassungsanspruch angeführte Verfügung des Landgerichtes Berlin vom 12.09.2016 ist nicht aussagekräftig, insbesondere deswegen nicht, weil nicht bekannt ist, unter welchen Umständen welcher Anspruch mit welchem Ergebnis Gegenstand des Verfahrens gewesen sei, das im Übrigen mit großer Wahrscheinlichkeit mittlerweile abgeschlossen sein dürfte, so dass Gegenstand und Art der Erledigung unschwer zu reflektieren gewesen sein würden. Ganz im Sinne dieser Parallelität hat die Zeugin S. in ihrer Vernehmung die Behauptungen des Widerklägers sinngemäß wiederholt, es erfolge nach einem Ersthinweis eine Aufforderung zur Beseitigung mit Fristsetzung, sodann eine allerletzte Aufforderung, dann werde gegen das Mitglied vorgegangen. Auf konkrete Nachfrage hin zeigte sich die Zeugin indes nicht in der Lage, hierzu konkrete Beispiele zu benennen bzw. auch nur eine Anzahl entsprechender Fälle anzuführen oder auch nur zu den nach der vorgetragenen Stringenz in der Vorgehensweise notwendigen Aktenführungen Ausführungen zu machen, obwohl ihr als durch den Widerkläger universell benannte Zeugin entsprechende Fähigkeiten angesonnen seien müssten.“

Landgericht Heilbronn nimmt deshalb Rechtsmissbrauch an

In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Im Ergebnis stellt sich die Vorgehensweise des Widerklägers als Missbrauch unter Würdigung der Begleitumstände des vorprozessualen und prozessualen Vorgehens dar. Zwar ergibt sich ein noch unvollständiges Bild hinsichtlich der Vorgehensweise des Widerklägers und grundsätzlich darf ein Wettbewerbsverband – wie ausgeführt – die Adressaten seines satzungsmäßigen Handelns und seine Vorgehensweise frei bestimmen. Die Möglichkeit des planmäßigen Aussparens von Mitgliedern bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, die auch keinesfalls von der Treuepflicht im Verein gedeckt sein kann, da sich diese niemals gegen satzungsmäßige Verpflichtungen richten kann, ist indes greifbar. Bereits auf dieser Basis greift die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, wie sie das OLG Hamm in dem vom Widerbeklagten angeführten Urteil vom 13.06.2013 – 4 U 26/13 – zutreffend gesehen hat. Demnach obläge es nach alledem bereits aus diesen Gründen dem Widerkläger, den gegen ihn sprechenden Anschein zu entkräften.

 

Hinzukommt der oben dargelegte weitergehende Anschein einer Verquickung privater und öffentlicher Interessen. Besonders aber im Zusammenwirken mit dem dargestellten Prozessverhalten ergibt sich ein Gesamtbild, dass die Durchsetzung etwa gegebener Unterlassungsansprüche im vorliegenden Verfahren ausschließt.“

Damit hat das Landgericht Heilbronn als erstes Gericht einen Rechtsmissbrauch des IDO angenommen.

 

Gegen dieses Urteil hat der IDO Verband Berufung eingelegt. Der Rechtsstreit wird derzeit vor dem OLG Stuttgart, Az: 2 U 8/20, geführt. Dazu finden Sie weiter unten weitere Informationen.

 

OLG Celle, Urteil vom 26.3.2020, Aktenzeichen: 13 U 73/19

Das zweite Gericht, welches Rechtsmissbrauch des IDO annimmt ist das OLG Celle. Ein Rechtsmissbrauch läge aufgrund der Vereinsstruktur des IDO vor. Die Einzelheiten:

 

Der IDO Verband benötigt Mitglieder, um überhaupt eine Abmahnung aussprechen zu dürfen. Verbände dürfen nur dann wettbewerbsrechtliche Abmahnungen aussprechen, wenn ihnen neben weiteren Voraussetzungen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, § 8 Absatz 3 Nr, 2 UWG.

 

Aktive / Passive Mitglieder des IDO

Vereine wie der IDO haben meistens sowohl aktive, als auch passive Mitglieder. Aktive Mitglieder nehmen im Gegensatz zu passiven Mitgliedern selbst tatkräftig am Vereinsleben teil. Sie wirken aktiv an der Erreichung des satzungsgemäßen Vereinszwecks mit. Passive Vereinsmitglieder sind dagegen Personen, die nicht aktiv an der Erfüllung des Vereinszwecks mitwirken wollen oder dies zum Beispiel aus zeitlichen Gründen nicht können. Sie wollen den Verein aber dennoch durch ihre Mitgliedschaft unterstützen. Die Unterstützung besteht in der Regel in finanzieller Art. Passive Mitglieder bezahlen üblicherweise einfach einen gewissen Vereinsbeitrag. Sie sorgen für das gewisse grundrauschen, d.h. es fließt regelmäßig Geld, mit dem der Verein arbeiten kann.

 

Ohne Mitglieder keine Aktivlegitimation, ohne Aktivlegitimation keine Einnahmequelle

In dem Verfahren vor dem OLG Celle wurde bekannt, dass es sich bei vielen IDO Mitgliedern um passive Mitglieder handelt. Die Geschäftsführerin vom IDO Verband wurde als Zeugin dazu befragt, wie viele aktive Mitglieder der IDO habe. Das konnte sie aber nicht sagen. Aktive Mitglieder sind beim IDO berechtigt, Vereinsorgane zu wählen. Passive Mitglieder haben dagegen keinerlei Stimmberechtigung beim IDO Verband. Wer aktives Mitglied wird, entscheide der IDO Vorstand. Ferner hat die Zeugin in dem Verfahren ausgesagt, der IDO habe auch einzelne aktive Mitglieder. Sie könne jedoch nicht angeben, wie viele aktive Mitglieder der IDO Verband habe und nach welchen Kriterien aktive Mitglieder vom Vorstand des IDO aufgenommen würden. Nach Ansicht des Gerichts sei es aber wenig glaubhaft, dass die Zeugin als Geschäftsführerin des Vereins keine konkreten Angaben dazu machen könne. Zudem sei nicht ersichtlich, warum der IDO Unternehmen, deren Interessen er fördern möchte, von der Willensbildung ausschließe. In dem Urteil heißt es:

„Für einen Rechtsmissbrauch spricht jedoch, dass der Kläger die Unternehmen, deren Interessen er nach seiner Satzung fördern will, nach Aussage der Zeugin X. „typischerweise“ nur als passive Mitglieder aufnimmt und damit – ohne ersichtlichen sachlichen Grund – gezielt von der Willensbildung des Vereins ausschließt.

 

Nach § 3 Abs. 3 und 4 der Vereinssatzung (Anlage K 4) sind nur aktive Mitglieder berechtigt, in die Vereinsorgane gewählt zu werden. Nur sie haben ein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung, während die passiven Mitglieder nicht stimmberechtigt sind. Nach Aussage der Zeugin X entscheide der Vorstand, der aus zwei Rechtsanwälten, dem Geschäftsführer eines Inkassounternehmens und seiner – von einem Inkassounternehmen zum Kläger gewechselten – Vorsitzenden bestehe, im Einzelfall darüber, ob aktive Mitglieder aufgenommen werden. Die passiven Mitglieder würden auch nicht zu der Mitgliederversammlung geladen. Weiter hat die Zeugin bekundet, der Kläger habe auch einzelne aktive Mitglieder, sie könne jedoch nicht angeben, wie viele aktive Mitglieder er habe und nach welchen Kriterien aktive Mitglieder vom Vorstand aufgenommen würden. Es erscheint dem Senat wenig glaubhaft, dass die Zeugin – als Geschäftsführerin des Klägers – keine konkreten Angaben zur Zahl der aktiven Mitglieder und den Aufnahmekriterien machen konnte. Ein sachlicher Grund, warum die „Wettbewerbsunternehmen“, deren Interessen der Kläger fördern will, von der Willensbildung des Klägers ausgeschlossen werden, ist nicht ersichtlich.“

Dem Gericht drängte sich somit der Eindruck auf, dass die Mitglieder des IDO nur Mittel zum Zweck sind. In dem Urteil heißt es:

„Insgesamt besteht für den Senat der Eindruck, dass der Vorstand den Kläger zu dem Zweck unterhält, durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Einnahmen zu generieren, und die zur Erlangung der Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG notwendigen Mitglieder gezielt von der Willensbildung ausgeschlossen werden, um diese Einnahmequelle nicht zu gefährden.“

Hinweis: Das OLG Celle hat die Revision zugelassen. Legt der IDO Revision gegen das Urteil ein, dann muss der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.

 

Nach dem LG Heilbronn ist nunmehr auch das OLG Celle vom Rechtsmissbrauch überzeugt.

 

Das LG Heilbronn sah einen Rechtsmissbrauch im zielgerichteten Verschonen der eigenen Mitglieder. Das OLG Celle hat jetzt ein weiteres Indiz herangezogen, welches für einen Rechtsmissbrauch durch den Ido spricht. Die Urteile sind insofern besonders, weil beide Missbrauchsindizien auf Umstände zurückgeführt werden, die bereits in der Vereinstätigkeit selbst liegen. Sonst wird die Frage des Rechtsmissbrauchs immer anhand von Umständen eines konkreten Einzelfalls bewertet. Begebenheiten eines Einzelfalls sind nie ohne weiteres einfach auf andere Fälle übertragbar. Liegen wie im Falle des IDO die Umstände eines Rechtsmissbrauchs aber bereits in der Vereinstätigkeit selbst verankert, dann ist dies auch auf andere Fälle übertragbar.

 

OLG Rostock, Beschluss vom 31.08.2020, Az. 2 U 5/19

Als drittes Gericht nahm das OLG Rostock, Beschluss vom 31.08.2020, Az. 2 U 5/19, Rechtsmissbrauch des IDO an. Rechtsmissbrauch läge durch den IDO Verband deshalb vor, weil der Verein seine eigenen Mitglieder nicht selbst abmahne.

 

Mir sind einerseits viele Abmahnopfer des IDO bekannt, die nur deshalb beim IDO Verband Mitglied wurden, um künftig nicht weitere Abmahnungen des IDO befürchten zu müssen. Andererseits wurden auch viele Onlinehändler IDO Mitglieder, weil Ihnen diese Abmahnungen aus den Medien bekannt waren und Sie selbst Angst hatten, vom IDO abgemahnt zu werden. Abmahnschutz scheint eine IDO Mitgliedschaft zu bieten, jedenfalls bislang.

 

Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn die eigenen Mitglieder nicht abgemahnt werden (siehe oben LG Heilbronn, Urteil vom 20.12.2019, Az: 21 O 38/19 KFH (nicht rechtskr.)).

 

OLG Rostock nimmt auch Rechtsmissbrauch an

Das Oberlandesgericht Rostock hatte über eine Berufung des IDO zu entscheiden. Vor dem Landgericht Rostock waren in der ersten Instanz zuvor vom IDO geltend gemachte Unterlassungsansprüche zurückgewiesen worden. Gegen das erstinstanzliche Urteil legte der IDO Berufung ein. Das OLG Rostock teilte in der Folgezeit mit, dass der Senat beabsichtige, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 522 Absatz 2 ZPO. Nach dieser Vorschrift soll das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1. die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4. eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Eigene Mitglieder werden planmäßig ausgespart

Ein derartiger Beschluss wird üblicherweise weise ausführlich und detailliert begründet.

„Demgegenüber ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung verspricht.

 

Nach diesen Maßstäben geht der Senat von der Rechtsmissbräuchlichkeit der Klageerhebung aus.

 

Von den im Berufungsrechtszug mit Anlage XXX benannten 23 angeblichen Konkurrenzunternehmen, die Mitglied des Klägers sein sollen, begehen unstreitig jedenfalls 9 Unternehmen gleiche oder entsprechende vermeintliche Rechtsverstöße, ohne dass der Kläger dagegen vorgeht. Dabei macht er nicht geltend, er wolle die Frage der Zulässigkeit der beanstandeten Werbung zunächst höchstrichterlich klären lassen. Zielte das Vorgehen auf eine solche Klärung ab, wäre auch zu erwarten, dass ein Unternehmen in Anspruch genommen wird, bei dem eine höchstrichterliche Klärung auch ernsthaft zu erwarten wäre. Bei dem augenscheinlich selbst nur in geringem Umfang tätigen Beklagten dürfte dies nicht von Beginn an naheliegend sein. Die Chance auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes wäre bei Inanspruchnahme eines nachhaltig und umfangreich am Markt tätigen Unternehmens deutlich höher, weil einerseits mit Blick auf den Geschäftsumfang die Revisionssumme erreicht werden könnte und das Rechtsmittel nicht von einer Zulassung abhängig wäre und andererseits wegen der Finanzkraft und der Auswirkungen eher zu erwarten wäre, es werde den Streit bis zum Bundesgerichtshof austragen. Selbst bei einer angestrebten höchstrichterlichen Klärung wäre schon zur Erfüllung der Satzungszweck zudem jedenfalls eine Information der eigenen Mitglieder über den vermeintlichen Verstoß angezeigt. Auch hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen, obwohl der Beklagte dies in Abrede stellt. Aufgrund dieser Umstände stellt sich das Vorgehen des Klägers als planmäßiges aussparen von Mitgliedern bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen dar. Dem Kläger ist offenbar nicht an der Unterbindung von Wettbewerbsverstößen gelegen. (…)“

Der IDO Verband konnte den Senat des OLG Rostock in der Folgezeit aber nicht mehr davon überzeugen, dass doch kein Rechtsmissbrauch vorliegt.

 

Zurückweisung der Berufung

Die Berufung des IDO wurde dann gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurückgewiesen. Im Rahmen einer Gesamtschau kam das OLG Rostock zu dem Ergebnis, dass ein Fall von Rechtsmissbrauch vorliegt:

„Zum Rechtsmissbrauch führt der Kläger zu den Hinweisen nichts Durchgreifendes aus. Insbesondere gibt er nunmehr zwar pauschal an, er informiere auch seine Mitglieder über Rechtsfragen und führe Unterlassungsverfahren auch gegen diese. Dass er gerade die Frage der Werbung mit […] höchstrichterlich klären möchte und seine Mitglieder, die zu einem nicht unerheblichen Anteil entsprechende (vermeintliche) Verstöße begehen, über die nach seiner Auffassung unzulässige Angabe unterrichtet hat, trägt der sekundär darlegungsbelastete Kläger weiterhin nicht vor, so dass der Senat seiner Entscheidung das Vorbringen des Beklagten zugrunde zu legen hat. Danach ist aber der Schluss gerechtfertigt, der Kläger habe seine Mitglieder insoweit planmäßig ausgespart. Bei Berücksichtigung aller Umstände stellt sich das Vorgehen im vorliegenden Einzelfall deshalb als rechtsmissbräuchlich dar.“

Damit hat ein weiteres Gericht Rechtmissbrauch des IDO angenommen.

OLG Rostock 2. Zivilsenat, Beschluss vom 17.11.2020, 2 U 16/19

Der IDO ist wieder vor dem OLG Rostock: Zunächst unterlag der IDO in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Rostock. Die daraufhin vom IDO Verband erhobene Hauptsacheklage wurde vom LG Rostock abgewiesen. Es wurde Berufung vom IDO eingelegt. Das OLG Rostock hat daraufhin einen Hinweisbeschluss erlassen. Darin wird nochmals deutlich festgestellt, dass

 

  • der IDO Verband die eigenen Mitglieder gezielt von seiner Abmahntätigkeit ausspart.
  • ein teilweises Vorgehen gegen Mitglieder nicht repräsentativ ist.

Zudem hatte es der IDO sogar unstreitig gestellt, dass er nicht gegen eigene Mitglieder vorgeht.

 

In dem nachfolgend wiedergegebenen Hinweisbeschluss des OLG Rostock vom 17.11.2020, 2 U 16/19, heißt es:

Hinweisbeschluss des OLG Rostock vom 17.11.2020, 2 U 16/19

Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG

 

Zu den Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG (Rechtsmissbrauch)

 

OLG Rostock 2. Zivilsenat, Beschluss vom 17.11.2020, 2 U 16/19

 

§ 8 Abs 4 S 1 UWG

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 29.10.2019, Az.: 6 HK O 2/19, gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

 

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Ob das Landgericht – das die Klage als unzulässig abgewiesen hat – die Klagebefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zurecht verneint hat, kann offenbleiben. Die Klage stellt sich nach dem Akteninhalt als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG dar. Sie ist daher jedenfalls aus diesem Grunde unzulässig (BGH, Urteil vom 31.05.2012 – I ZR 106/10, WRP 2013, 336 = NJW 2013, 787 [Juris; Tz. 16]; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.3, m.w.N.). Für die beabsichtigte Beschlusszurückweisung reicht es in jedem Fall aus, dass sich die angefochtene Entscheidung als jedenfalls im Ergebnis richtig erweist, auch wenn das Berufungsgericht sich auf andere Gesichtspunkte stützt als die Vorinstanz (OLG Rostock, Beschluss vom 07.04.2003 – 6 U 14/03, MDR 2003, 828 [Juris; Tz. 13]; MüKoZPO/Rimmelspacher, 05. Aufl. 2016, § 522 Rn. 21; Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 522 Rn. 36, m.w.N.).

 

1. Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs in sachfremden, für sich genommen nicht schutzwürdigen Interessen und Zielen besteht, die als eigentliche Triebfeder der Verfahrenseinleitung erscheinen. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelfallumstände (BGH, Urteil vom 04.07.2019 – I ZR 149/18, GRUR 2019, 966 [Juris; Tz. 33]; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.10, m.w.N.). Für sich genommen nicht ausreichend ist, wenn ein Verband gegen außenstehende Dritte vorgeht, den unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder jedoch duldet. Dies gilt insbesondere, wenn der Verband, der die Frage der Wettbewerbswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens höchstrichterlich klären lassen will, zunächst gegen einen Dritten und nicht gegen ein eigenes Mitglied gerichtlich vorgeht. Eine unzumutbare Benachteiligung des (allein) angegriffenen Verletzers gegenüber anderen – etwa deshalb, weil nunmehr allein er die angegriffenen Handlungen unterlassen müsste – ist darin in der Regel schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer offensteht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner von dem Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen (BGH, Urteil vom 12.12.1996 – I ZR 7/94, GRUR 1997, 537 [Juris; Tz. 18]). Demgegenüber ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung gewährt (BGH, Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 148/10, GRUR 2012, 411 [Juris; Tz. 21 ff.]; OLG Celle, Urteil vom 26.03.2020 – 13 U 73/19 [Juris; Tz. 51]; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.21, m.w.N.).

 

2. Nach diesen Maßstäben geht der Senat hier von der Rechtsmissbräuchlichkeit der Klageerhebung aus.

 

a) Anders als in dem kürzlich abgeschlossenen Berufungsverfahren 2 U 5/19 – vergleiche den dortigen Beschluss vom 20.05.2020 bzw. 31.08.2020, mit dem der Senat bezüglich des dortigen wie hiesigen Klägers Rechtsmissbrauch bejaht hat – hat der Kläger vorliegend zwar die Abmahnung (K 18) ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts selbst vorgenommen. Er hat hier also keine zusätzlichen bzw. gegenüber der eigenen Abmahnpauschale im Zweifel höheren (Anwalts-) Kosten ausgelöst, die vor dem Hintergrund der vom Kläger für sich in Anspruch genommen besonderen Sachkunde auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts unnötig erscheinen würden und den Schluss nahelegen könnten, die Abmahnung sei von dem Interesse getragen, den Abgemahnten mit möglichst hohen Kosten zu belasten, was tendenziell für Rechtsmissbrauch spräche (Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.13).

 

Es ergibt sich aber nach Aktenlage insgesamt – ebenso wie in dem Verfahren 2 U 5/19 – das Bild, dass der Kläger eigene Mitglieder gezielt von seiner Abmahntätigkeit ausspart. Das gilt auch unter Berücksichtigung der im Prinzip dem Kläger insofern günstigen Beweislastverteilung. Im Ausgangspunkt trifft die materielle Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs wegen des Einwendungscharakters dieser Rechtsfigur zwar den – vermeintlichen – Verletzer, hier also die Beklagte. Ist aber die tatsächliche Vermutung für die Zulässigkeit der Rechtsverfolgung durch geeigneten Tatsachenvortrag des Verletzers – oder ggf. auch bereits anhand des eigenen Sachvortrages des klagenden Verbandes – erschüttert, aus dem sich Anhaltspunkte für eine systematische „Verschonung“ eigener Mitglieder ergeben, so trifft den Verband eine zumindest sekundäre Darlegungslast. Er muss dann durch substantiierten Tatsachenvortrag den Einwand des Rechtsmissbrauchs entkräften (zusammenfassend Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 4.25, m.w.N.). Solche Anhaltspunkte liegen hier vor und sind nicht entkräftet.

 

b) Der Senat kann nach Aktenlage nicht feststellen, dass der Kläger – bezogen auf den hier relevanten Branchen- bzw. Produktgruppenbereich einerseits und die Art des in Rede stehenden Wettbewerbsverstoßes andererseits – auch gegen eigene Mitglieder vorginge. Der Kläger selbst berühmt sich – im Zusammenhang mit der Klagebefugnis – einer derart breiten Mitgliedschaft branchengleicher Marktteilnehmer, dass mit dem Auftreten zumindest vergleichbarer Wettbewerbsverstöße auch innerhalb des klägerischen Mitgliederbestandes typischerweise gerechnet werden muss. Dabei sind rechtlich anerkennenswerte Gründe für eine gezielte Inanspruchnahme nur von Nichtmitgliedern – wie z. B. eine zunächst herbeizuführende höchstrichterliche Klärung abstrakter rechtlicher Fragestellungen in einem „Pilotverfahren“, bei der eine Verschonung eigener Mitglieder nachvollziehbar erschiene – weder vorgetragen noch sonst zu erkennen.

 

Das gilt unabhängig davon, welcher Art und Intensität ein etwaiges „Vorgehen“ gegen eigene Mitglieder von Rechts wegen sein müsste, um den Einwand auszuräumen, der Kläger privilegiere gezielt seine eigenen Mitglieder. Der Beklagte hat schon im Verfahren vor dem Landgericht mit der Klageerwiderungsschrift vom 14.03.2019 (dort Seite 7 = Band I Blatt 44 d.A.) darauf aufmerksam gemacht, dass sich aus den als Anlage B 7 bzw. B 11 vorgelegten Screenshots der Internetpräsenz der … GmbH branchen- bzw. produktgruppengleiche und auch von der Art des Verstoßes her im Kern gleichgelagerte Wettbewerbsverstöße – fehlende Garantieangaben – eines Mitglieds des Klägers ergeben, ohne dass der Kläger sich hierzu näher erklärt hätte. Die Mitgliedschaft der … GmbH beim Kläger war und ist unbestritten; die Gesellschaft ist unter Nr. 29 in der vom Kläger selbst vorgelegten Mitgliederliste „Elektro- und Elektronikartikelhändler“ erfasst. Der Kläger hat sich hierzu in seiner Replikschrift vom 26.04.2019 (dort Seite 28 = Band I Blatt 75 d.A.) nicht näher – § 138 Abs. 2 ZPO – erklärt. Er hat lediglich pauschal ausgeführt, er bestreite, dass er gegen eigene Mitglieder wettbewerbsrechtlich nicht vorgehe. Vielmehr mahne er auch eigene Mitglieder ab, mache – im Einzelfall – auch eigenen Mitgliedern gegenüber Vertragsstrafeansprüche geltend und betreibe – wiederum ausdrücklich nur im Einzelfall – auch gerichtliche Verfahren gegen sie. Auch der weitere erstinstanzliche Schriftsatz des Klägers vom 19.07.2019 (dort Seiten 9 f. = Band II Blatt 104 f. d.A.) beinhaltet nur ganz allgemein die Behauptung, eigene Mitglieder würden nicht verschont, vielmehr habe der Kläger bereits „in einer Vielzahl an Fällen“ Abmahnungen gegenüber eigenen Mitgliedern ausgesprochen und „in Einzelfällen“ gerichtliche Verfahren eingeleitet. Welche Mitglieder konkret betroffen sein sollen, hat der Kläger nicht offengelegt. Ebenso wenig hat er sich näher zu den Inhalten – oder Zeitpunkten – der angeblich auch gegen Mitglieder angestrengten Prozesse erklärt. So ist insbesondere unklar, ob es sich um Unterlassungsklagen handelt, die mit dem vorliegenden Prozess ggf. vergleichbar wären, oder (nur) um die Einklagung von Vertragsstrafen. Das Landgericht Heilbronn jedenfalls hat in dem als Anlage B 16 vorgelegten Urteil vom 20.12.2019 (Az.: 21 O 38/19) ausgeführt, dass der – dortige wie hiesige – Kläger bis zuletzt kein einziges gerichtliches Verfahren habe benennen können, das einen Unterlassungsanspruch gegen ein Mitglied betroffen habe (UA Seite 21 = Band III Blatt 91 d.A.). Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren zudem zu zwei weiteren nach Branchen- bzw. Produktgruppenzugehörigkeit und Art der Verletzungshandlung gleichgelagerten ungeahndeten Wettbewerbsverstößen von Klägermitgliedern vorgetragen (Seiten 4 f. des Schriftsatzes vom 14.01.2020 = Band III Blatt 69 f. d.A.) und hierzu die Anlagen B 18 und B 19 (Band III Blatt 101 f. d.A.) vorgelegt hat, geht die diesbezügliche Verspätungsrüge des Klägers aus dem Schriftsatz vom 10.02.2020 (dort Seite 8 = Band III Blatt 113 d.A.) an der Sache vorbei. Das ergibt sich zunächst schon daraus, dass der Kläger sich in diesem Kontext auf die Äußerung der Rechtsansicht, der Vortrag bzw. die Belegvorlage seien verspätet, beschränkt, die – neue – tatsächliche Behauptung der Beklagten aber nicht bestritten hat. Soweit der Kläger im selben Schriftsatz an anderer Stelle erneut im Allgemeinen geltend macht, er verschone seine Mitglieder nicht, liegt darin kein – konkretes – Bestreiten der mit den Anlagen B 18 und B 19 dokumentierten Lebenssachverhalte. Zumindest aber wäre ein derart allgemeines Bestreiten prozessual nicht beachtlich (vgl. § 138 Abs. 2 ZPO). Die betreffende Behauptung gilt damit als zugestanden (§§ 138 Abs. 3, 288 Abs. 1, 525 Satz 1 ZPO), bedarf also keines Beweises. Schon deshalb unterliegt sie bereits im Ansatz keinen verspätungs- bzw. novenrechtlichen Restriktionen (BGH, Beschluss vom 18.11.2004 – IX ZR 229/03, NJW 2005, 291 [Juris; Tz. 11 ff.]; BGH, Beschluss vom 13.01.2015 – VI ZR 551/13, RuS 2015, 212 [Juris; Tz. 5]; BGH, Beschluss vom 27.10.2015 – VIII ZR 288/14, WuM 2016, 98 [Juris; Tz. 10 f.]; Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 531 Rn. 20). Unabhängig davon müssen verspätungs- und novenrechtliche Beschränkungen aber auch deshalb ausscheiden, weil für Zulässigkeitsvoraussetzungen – mit Ausnahme der hier nicht in Rede stehenden Fälle des § 296 Abs. 3 ZPO – und damit auch für den prozessualen Rechtsmissbrauchseinwand des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG der Amtsprüfungsgrundsatz (§ 56 Abs. 1 ZPO analog) gilt, der eine Prüfung in jeder Lage des – auch zweitinstanzlichen – Verfahrens erfordert (BGH, Urteil vom 04.05.2004 – XI ZR 40/03, NJW 2004, 2523 = WM 2004, 1404 [Juris; Tz. 16]; MüKoZPO/Lindacher, 05. Aufl. 2016, § 56 Rn. 2, m.w.N.).

 

Auch in dem Senatsverfahren 2 U 5/19 hatte der dortige wie hiesige Kläger, worauf es vorliegend allerdings nicht tragend ankommt, in einer Mehrzahl von – dort wenigstens neun – Fällen keine Maßnahmen gegenüber eigenen Mitgliedern ergriffen, die in einer dem dortigen Beklagten vergleichbaren Art gegen Wettbewerbsgrundsätze verstoßen hatten. Auch dort ist ein konkreter klägerischer Vortrag zu Maßnahmen gegenüber eigenen Mitgliedern – auch zu solchen unterhalb der Schwelle zur Abmahnung – nicht erfolgt, auch auf Hinweis des Senats nicht. Auch wenn es in dortiger Sache um andere Marktsegmente bzw. Produktbereiche als in hiesiger Sache – nämlich um Nahrungsergänzungsmittel – gegangen ist, sind beide Fallgestaltungen doch insoweit vergleichbar, als der Kläger sich gegen den Vorwurf, mit zweierlei Maß zu messen, jeweils nur pauschal verteidigt und einen qualifizierten Gegenvortrag unterlässt.

 

Insgesamt bestehen damit greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für ein zielgerichtetes Aussparen eigener Mitglieder zumindest von der ernsthaften Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, zumal der Kläger auch nicht mit inhaltlicher Substanz und konkreter zeitlicher Eingrenzung zu etwaiger anderweitiger Einwirkung auf seine eigenen Mitglieder – konkret im Hinblick auf die hier in Rede stehende Angabe von Garantiebedingungen – vorträgt. Weder gegenüber dem Landgericht noch gegenüber dem Senat hat der Kläger sich mit Substanz erklärt und beispielsweise konkrete Mitteilungen an seine Mitglieder vorgelegt, aus denen sich Hinweise zur Rechtslage, die Anmahnung eines rechtskonformen Verhaltens bei der Darstellung von Garantiebedingungen oder Vergleichbares ergäbe. Ausweislich des erwähnten Urteils aus dem Verfahren vor dem Landgericht Heilbronn sind entsprechende Ausführungen auch in dortiger Sache unterblieben.

 

c) Der Rekurs des Klägers auf verschiedene instanz- und obergerichtliche Urteile, in denen Rechtsmissbrauch verneint worden ist, bleibt ohne Erfolg, weil sich die jeweils zu beurteilenden Sachlagen nicht vergleichen lassen. Nur klarstellend – und unabhängig davon – ist hervorzuheben, dass der Senat selbst bei vergleichbarer tatsächlicher Entscheidungsgrundlage an die ggf. abweichende rechtliche Beurteilung anderer Gerichte nicht gebunden wäre. Hinzu tritt, dass der im Wesentlichen pauschale Verweis auf umfangreiche Anlagenkonvolute im Zweifel schon keinen prozessual beachtlichen Parteivortrag darstellt. Wie sich die tatsächlichen Umstände in den betreffenden Fällen jeweils konkret dargestellt haben, stellt der Kläger schriftsätzlich ganz überwiegend nicht näher dar. Es ist jedenfalls – ohne damit Substantiierungsanforderungen zu überspannen (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2016 – VIII ZR 297/15, MDR 2017, 295 [Juris; Tz. 23]; BeckOK ZPO/v. Selle, 38. Edition [Stand: 01.09.2020], § 138 Rn. 10, m.w.N.) – nicht Sache des Senats, sich den der jeweiligen Entscheidung zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt im Wege der „Durcharbeitung“ des jeweiligen Urteilstatbestandes selbständig zu erschließen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.06.1994 – 1 BvR 2112/93, NJW 1994, 2683 [Juris; Tz. 24]; OLG Rostock, Beschluss vom 22.07.2005 – 6 U 132/04, OLGR 2005, 928 = NJ 2005, 464 [Juris; Tz. 5]; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 253 Rn. 12, m.w.N.). Ungeachtet dessen lässt sich hier aus den Urteilstatbeständen bzw. überhaupt aus den in den Urteilen enthaltenen tatsächlichen Angaben letztlich auch nichts dem Kläger Günstiges ableiten:

 

Das – gegenüber dem Senat – in der Anlage K 83 vorgelegte Urteil des Landgerichts Leipzig vom 21.02.2020 (Az.: 2 HK O 85/19) etwa betrifft Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmittel. Insofern ist ein Bezug zu den in vorliegender Sache in Rede stehenden Artikeln – einem TV-Gerät und einer Kaffeemaschine – nicht ansatzweise erkennbar. Unabhängig davon ging es in dem Verfahren vor dem Landgericht Leipzig jedenfalls nicht um Garantiefragen. Das in der Anlage K 81 vorgelegte Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21.01.2020 (Az.: 14 U 257/19) betrifft den Handel mit Multimedia-Artikeln, konkret ein Apple iPad und eine Apple Watch (UA Seite 3). Zumindest im Verhältnis zu der vorliegend streitbegriffenen Kaffeemaschine sind daher möglicherweise ebenfalls unterschiedliche Branchen- bzw. Produktgruppenbereiche betroffen. Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt am Main – dies allerdings im Kontext der Klagebefugnis – eine einheitlich zu betrachtende Gruppe aus Elektro- und Elektronikartikeln, Multimedia-Artikeln und Uhren gebildet hat (UA Seiten 17 f.), hatte dies jedenfalls die Vorinstanz – Landgericht Fulda – anders gesehen und einen Unterlassungsanspruch in Bezug auf Elektroartikel ausdrücklich verneint. Letztlich kann dies ebenso offenbleiben wie die Frage, ob sich Rückschlüsse auf die vorliegende Konstellation schon deshalb verbieten, weil es vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main – angesichts der insoweit unklaren Umschreibung des konkreten Verstoßgeschehens im dortigen Tatbestand zumindest nicht ausschließbar – um die Abmahnung wegen eines insgesamt unterlassenen Hinweises auf eine vorhandene Herstellergarantie ging, während vorliegend im Kontext einer durch die Beklagte tatsächlich bewerbend angegebenen Garantie das Fehlen von Begleitangaben u.a. zum Verhältnis zur gesetzlichen Gewährleistung moniert wird. Unabhängig von alldem betrifft die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main eine Verletzungshandlung vom 19.03.2019, die somit jedenfalls in zeitlicher Hinsicht derart deutlich von der vorliegend streitbegriffenen Verletzungshandlung vom 24.10.2018 abweicht, dass daraus für den vorliegenden Fall nichts abgeleitet werden kann. Entsprechendes gilt für den Sachverhalt, zu dem sich das in der Anlage K 77 vorgelegte Urteil des Landgerichts Gera vom 13.01.2020 (Az.: 11 HK O 45/19) verhält; der abgemahnte Wettbewerbsverstoß datiert dort auf den 07.03.2019 (UA Seite 15). Die Verletzungshandlung, die das Urteil des Landgerichts Fulda vom 30.08.2019 (Az.: 7 O 8/19) zum Gegenstand hat, datiert auf den 19.03.2019 (UA Seite 2); zudem überschneidet sich der dortige Prozessgegenstand inhaltlich nur teilweise mit dem vorliegenden Streitstoff. Auch die Verletzungshandlung, die Gegenstand des in der Anlage K 82 vorgelegten Urteils des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 19.12.2019 (Az.: 3 O 7/19 KfH) gewesen und auf den 15.03.2019 datiert ist (UA Seite 4), erweist sich als deutlich jünger als der vorliegend prozessgegenständliche Vorfall und schon deshalb als ungeeignet, um daraus relevante Schlüsse im Hinblick auf die Abmahnungspraxis des Klägers im hier relevanten Zeitpunkt – Oktober 2018 – zu ziehen. Abgesehen davon ging es dort um einen Verstoß gegen die Vorschriften über die Widerrufsbelehrung und damit auch inhaltlich-thematisch um etwas anderes als in vorliegender Sache. Bei dem in der Anlage K 76 vorgelegten Urteil des Oberlandesgerichts München vom 23.01.2020 (Az.: 29 U 3673/19) ging es zwar inhaltlich – wie hier – um einen Verstoß gegen die näheren Angaben zu einer dem Grunde nach mitgeteilten Garantie und zum Verhältnis zur gesetzlichen Gewährleistung. Es ist aber, nachdem die Entscheidung von einer Sachverhaltsdarstellung gemäß § 540 Abs. 2 ZPO absieht und sich aus ihr auch sonst nichts über den genauen Zeitpunkt der Verletzungshandlung entnehmen lässt, nicht ersichtlich, dass Rückschlüsse auf den vorliegend relevanten Zeitraum in Betracht kämen. Vor allen Dingen aber ging es vor dem Oberlandesgericht München mit dem Branchenbereich „Bürobedarf“ (UA Seite 24) um eine gänzlich andere Mitgliedersparte. Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 10.02.2020 (dort Seiten 12 ff. = Band III Blatt 117 ff. d.A.) auszugsweise zitierten weiteren instanz- und obergerichtlichen Entscheidungen lassen – ausgehend von den Zitatstellen – ebenfalls nicht erkennen, dass sie in Bezug auf die betroffenen Waren- bzw. Mitgliedersparten und die Art des in Rede stehenden Wettbewerbsverstoßes – zum hier relevanten Zeitpunkt – Rückschlüsse zuließen.

 

Nichts anderes gilt für die vom Kläger bereits in erster Instanz vor dem Landgericht vorgelegten – ohnehin zumindest primär die Frage der Klagebefugnis betreffenden – Urteile aus den Anlagen K 20 bis K 24, K 26 bis K 29, K 31, K 32 und K 36. Abgesehen davon, dass der Zeitpunkt der jeweils prozessgegenständlichen Verletzungshandlung mit dem hier relevanten Zeitpunkt – 24.10.2018 – nicht identisch ist, sondern in den meisten Fällen erst im Frühjahr 2019 liegt, geht es mit Ausnahme des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 29.03.2019 (Az.: 37 O 4/19 KfH) aus der Anlage K 29 sowie des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 30.04.2019 (Az.: 13 O 21/19) aus der Anlage K 32 in keinem Fall um Elektro- bzw. Elektronikgeräte oder vergleichbare Mitgliedersparten (und in der Mehrzahl auch nicht um Garantiefragen), sondern um völlig andere Bereiche wie Briefmarken, Spielwaren, Spülmittelverpackungen, Kraftfahrzeuge, Gesundheits- und Therapiegeräte, (Mode-) Accessoires oder Münzen (und überwiegend um gänzlich andere Verletzungshandlungen wie etwa fehlerhafte Widerrufsbelehrungen, Falschangaben zu medizinischer Wirksamkeit, zu Laufleistungen usw.).

 

Soweit sich aus den vom Kläger herangezogenen Urteilen teilweise ergibt bzw. ergeben soll, dass auch gegen eigene Mitglieder geklagt werde, zieht dies den Einwand des Rechtsmissbrauchs letztlich nicht in Zweifel. Es ist weder dargetan noch sonst erkennbar, dass es sich hierbei um mehr als – nicht repräsentative – Einzelfälle handelt. Unabhängig davon kann nicht ausgeschlossen werden, dass der jeweilige Beklagte die Mitgliedschaft beim Kläger erst nachträglich erworben hat, um weiterer wettbewerbsrechtlicher Verfolgung durch den Kläger zu entgehen. Der Kläger trägt auch hierzu – obschon die Beklagte eben dies einwendet – nicht näher vor. Er hat insbesondere keine Mitglieder, die betroffen sein sollen, konkret benannt oder sonst eine Spezifikation vorgenommen. Außerdem hat der Kläger – was er auf Seite 14 seines Schriftsatzes vom 10.02.2020 (Band III Blatt 119 d.A.) selbst hervorhebt – in einem Verfahren vor dem Landgericht Gera (Urteil vom 13.01.2020 – 11 HK O 45/19; Anlage K 77) unstreitig gestellt, dass er gegen eigene Mitglieder keine – auch keine vereinzelten – Unterlassungsklagen erhoben habe. Vor diesem Hintergrund könnte hier, will der Kläger sich nicht in Widerspruch zu seinem Vortrag vor dem Landgericht Gera setzen, allenfalls von – singulären – Zahlungsklagen im Kontext von Vertragsstrafen auszugehen sein.

 

[Hervorhebung in rot durch Rechtsanwalt Andreas Gerstel]

 

Quelle: Dienstleistungsportal Mecklenburg-Vorpommern

 

IDO nimmt Berufung zurück

Die Berufung wurde vom IDO sodann zurückgenommen. Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichtes Rostock ist also rechtskräftig.

 

Das OLG Stuttgart geht jetzt ins Detail

Gegen das Urteil vom LG Heilbronn, Urteil vom 20.12.2019, Az: 21 O 38/19 KFH (nicht rechtskr.) hat der IDO Verband Berufung beim OLG Stuttgart eingelegt, Az: 2 U 8/20. Es ist im Berufungsverfahren vor dem OLG Stuttgart ein Hinweisbeschluss ergangen. Der IDO ist aufgefordert zu seiner internen Vereinsstruktur in organisatorischer und finanzieller Hinsicht umfassend vortragen. Ferner muss er zum Umfang der Rechtsverfolgung in den Jahren zwischen 2018 bis 2020 Angaben machen, wobei zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern zu trennen ist. Im Hinweisbeschluss heißt es:

„Der Senat hat den Beklagten bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sein Vortrag zu seinen inneren Verhältnissen und zu seinen Aktivitäten bislang weithin substanzarm ist. Der Beklagte muss gewärtig sein, dass sich dies bei der Würdigung, die der Senat zur Frage eines strukturellen Rechtsmissbrauchs im Freibeweisverfahren vorzunehmen haben wird, gegen ihn wenden kann.“

Der IDO wird vom Gericht dazu aufgefordert, zu folgenden Themenkomplexen vorzutragen:

 

systematisches Verschonen von Mitgliedern

Im Rahmen der Rechtsdurchsetzungstätigkeit muss der IDO-Verband vortragen,

 

  • wie viele Unternehmen er in den Jahren 2018 bis 2020 abgemahnt hat;
  • wie viele von diesen Abmahnungen vorgerichtlich zu einer strafbewehrten Unterlassungserklärung geführt haben;
  • wie viele der 2018 bis 2020 abgemahnten Unternehmen er gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen hat;
  • welche der abgemahnten oder gerichtlich in Anspruch genommenen Unternehmen zum Zeitpunkt der Abmahnung bzw. bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens Mitglieder des Beklagten waren;

 

Einnahme- und Ausgabestruktur 2018 bis 2020

Zu seinen Einnahmen und Ausgaben in den Jahren 2018 bis 2020 muss der IDO jetzt folgendes darlegen:

 

I. Einnahmen

Dabei muss der Aufstellung der Einnahmen insbesondere zu entnehmen sein, in welcher Höhe der IDO Einnahmen erzielt hat aus

 

  • Beiträgen von aktiven Mitgliedern
  • Beiträgen von passiven Mitgliedern
  • Vertragsstrafen
  • Abmahnkostenerstattungen
  • sonstigen Einnahmequellen

 

II. Ausgaben

Die Aufstellung der Ausgaben muss erkennen lassen, wofür die jeweiligen Ausgaben angefallen sind. Sie ist nach Tätigkeitsbereichen zu ordnen und zu gliedern und hat den Grund der Zahlung zu nennen. Insbesondere muss hierzu auch detailliert aufgeschlüsselt werden, welche Zahlungen der IDO in den Jahren 2018 bis 2020 geleistet hat an

 

  • Mitglieder seines Vorstandes im Sinne seiner Satzung;
  • aktive Mitglieder des Beklagten;
  • Unternehmen, an denen Vorstandsmitglieder oder aktive Mitglieder beteiligt waren.

 

III. Vorlage bestimmter Urkunden

Hierzu sind ergänzend die geprüften Einnahme-Überschuss-Rechnungen und Bilanzen über die Jahre 2018 bis 2020 vorzulegen, soweit vorhanden.

 

Mitgliederstruktur

Zum Mitgliederbestand sind folgende Fragen zu beantworten:

 

  • Wer war in den Jahren 2018 bis 2020 aktives Mitglied des IDO?
  • Wann ist das jeweilige aktive Mitglied dem IDO beigetreten?
  • Wann hat es den Status als aktives Mitglied erlangt?
  • Wann hat es den Status als aktives Mitglied ggf. verloren?

 

Ergänzend ist eine aktuelle Liste der aktiven Mitglieder vorzulegen.

 

Vorstand

Hierzu sind folgende Fragen zu beantworten:

 

  • Wer gehörte dem Vorstand im Sinne der Satzung des Beklagten in den Jahren 2018 bis 2020 an?
  • Für welche Zeit waren diese Personen Vorstandsmitglieder (auch wenn die Tätigkeit vor 2018 begonnen hat)?
  • Welche Tätigkeiten haben die einzelnen Vorstandsmitglieder innerhalb des Vereins in den Jahren 2018 bis 2020 ausgeführt (detaillierte Angaben)?
  • Welche Tätigkeiten haben diese Personen über ihre Vorstandstätigkeit hinaus für den Beklagten in dieser Zeit erbracht?
  • Welche familienrechtlichen bzw. verwandtschaftlichen Beziehungen bestehen oder bestanden zwischen diesen Vorstandsmitgliedern?

 

Arbeitsapparat und Tätigkeiten des IDO

  • Wer stand in den Jahren 2018 bis 2020 in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum IDO, mit welchem Arbeitsumfang, welchem Aufgabenbereich und mit welcher Vergütung bzw. welchem Lohn (sofern dies nicht aus den Angaben zu einem der vorstehenden Punkte klar ersichtlich ist)?

 

Wie geht es weiter?

Es bleibt zunächst abzuwarten, ob der IDO dem Hinweisbeschluss des OLG Stuttgart in vollem Umfang nachkommen wird, oder nicht. Der IDO könnte auch einfach die Berufung zurücknehmen. Dann würde allerdings das Missbrauchsurteils des LG Heilbronn rechtskräftig und der IDO hätte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Ich rechne nicht mit einer Berufungsrücknahme durch den IDO. Spätestens beim nächsten Verfahren im gleichen oder einen anderen Gerichtsbezirk müsste der IDO wieder mit einem entsprechenden Hinweisbeschluss rechnen.

 

Ist das Ende vom IDO in Sicht?

Wird es den IDO Verband ab dem 01.12.2021 noch geben? Ab dem 01.12.2021 müssen nämlich rechtsfähige Verbände / Wirtschaftsverbände – von den Abgemahnten oftmals als „Abmahnvereine“ bezeichnet, gemäß § 8 b UWG in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sein, um Abmahnungen aussprechen zu dürfen.

 

Wird es der IDO in diese Liste schaffen?

Ich habe Zweifel daran. Ein rechtsfähiger Verband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, gewerbliche oder selbstständige berufliche Interessen zu verfolgen und zu fördern sowie zu Fragen des lauteren Wettbewerbs zu beraten und zu informieren, wird auf seinen Antrag in die Liste eingetragen, wenn

1. er mindestens 75 Unternehmer als Mitglieder hat,

 

2. er zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen hat,

 

3. auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit sowie seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass er

 

a) seine satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen wird und

 

b) seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen wird, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen,

Beim IDO könnte eine Eintragung an Ziffer 3. b) scheitern. Es ist nämlich gerichtsbekannt, dass die Assistent der Geschäftsführung des IDO 120 Euro die Stunde verdient. Das ist ein äußerst hoher Stundenlohn. Der IDO könnte bereits deshalb nicht einzutragen sein, weil Personen, die für den Verband tätig sind, durch unangemessen hohe Vergütungen begünstigt werden. Es dürfte schwierig werden, 120 EUR die Stunde für die Assistent der Geschäftsführung zu rechtfertigen.

 

Das Bundesamt für Justiz prüft die Eintragungsvoraussetzungen und überwacht die künftige Einhaltung. Beim IDO wird das Bundesamt für Justiz gewiss besonders genau hinsehen.

 

Ich werde an dieser Stelle über die weitere Entwicklung des IDO informieren.